Trost spenden, Hoffnung wecken: Das waren schon immer die Aufgaben der Kirche. Vor allem in Krisenzeiten ist der Mut spendende Einsatz der Kirchenvertreter mehr denn je gefragt. Schwere Zeiten wie die aktuelle Corona-Krise haben zwar die Kirchentore verriegelt, doch viele Herzen geöffnet. Wie viele andere Kirchen auch hat sich die Römisch-Katholische Kirche auf die neuen Gegebenheiten eingestellt und hält den Kontakt zu ihren Gläubigen mit Hilfe des World Wide Web aufrecht. Zsolt Szilvágyi (43), Pfarrer in der Josefstadt und Vikar für pastorale Angelegenheiten der Diözese Temeswar/Timișoara, erzählt in folgendem Gespräch, wie die kirchlichen Tätigkeiten derzeit stattfinden und wie er und seine Gemeinde diese schweren Zeiten erleben. Die Fragen stellte ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu.
Sie sind wohl der erste Pfarrer in der Diözese Temeswar, der die Online-Gottesdienste, die über Facebook live übertragen werden, eingeführt hat. Wann ist Ihnen bewusst geworden, dass eine solche Art des Messe-Zelebrierens unbedingt nötig ist?
Wir haben aus unserer Pfarrkirche zu Temeswar-Josefstadt am 15. März die Übertragungen der Hl. Messen begonnen. Es war der erste Sonntag, an dem höchstens einhundert Menschen an einem Gottesdienst teilnehmen durften. Ich bin froh, dass wir uns schnell für diese Möglichkeit der Übertragung entschlossen haben. Seitdem übertragen wir die Gottesdienste jeden Tag. Wir freuen uns, dass unsere Gemeindemitglieder auf diesem Weg an der Heiligen Messe teilnehmen können. Neben unseren Gemeindemitgliedern beteiligen sich auch Katholiken aus anderen Gemeinden, sogar aus anderen Ländern wie Deutschland, England, Ungarn und Serbien daran. Wir haben sogar eine Person, die regelmäßig aus Australien die Heilige Messe auf diesem Weg mitfeiert.
Es zirkuliert in diesen Tagen ein Witz, in dem der liebe Gott und der Teufel an einem Tisch sitzen und der Teufel sich freut, dass er all die Kirchen Gottes geschlossen habe. Woraufhin Gott antwortet, dass es ganz anders sei, denn er habe eigentlich eine Kirche in jedem Haus eröffnet. Wie viel Wahrheit steckt darin?
Erstmal muss ich sagen, dass die Schließung der Kirchen uns allen wehgetan hat. Wir warten sehr darauf, dass wir die Gottesdienste wieder in den Gotteshäusern unter Teilnahme der Gemeinde feiern können. In diesen Wochen habe ich aber oft die Worte des hl. Paulus wiederholt. Er schreibt an die Römer: „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt.“ (Röm. 8,28) Wir sollen Gott aus ganzem Herzen lieben, seinen Willen suchen. So kann diese Krisenzeit nicht nur eine Belastung, sondern auch eine Chance sein, dass man den Glauben an Gott noch bewusster lebt, dass die Familien mehr Zeit dem Gebet und dem Lesen der Hl. Schrift widmen. Ich sehe jetzt schon die guten Früchte dieser schweren Zeit, was unser Glaubensleben betrifft. Zum Beispiel, dass viele Personen an der Übertragung der Hl. Messen teilnehmen. Ein anderes konkretes Beispiel fällt mir ein: Wir beten jeden Abend mit einer Gruppe von jungen Erwachsenen per Zoom den Rosenkranz. So beteiligen sich oft zirka 30 Personen am Gebet. Wenn jedes christliche Haus zum Ort der Gottesbegegnung und der Nächstenliebe wird, dann war diese Zeit nicht sinnlos für uns.
Wie pflegen Sie in Zeiten der Corona-Krise den Kontakt zu den Gläubigen, zu den Mitgliedern Ihrer Pfarrei?
Das Internet und das Telefon bleiben zurzeit die besten und oft die einzigen Möglichkeiten, die Verbindung mit den Gläubigen zu halten. Wir können dankbar sein, dass wir die technischen Vorzüge unserer Zeit haben. Es wäre viel schwieriger gewesen, eine solche Krisenzeit in dieser Weise vor knapp 20 Jahren zu bewältigen. Ich versuche jeden Tag, mindestens einen alten Menschen und eine Familie aus unserer Gemeinde anzurufen. Die Menschen waren erstmal ein wenig überrascht, warum der Pfarrer anruft. Mit der Zeit gewöhnen sie sich schon daran, dass ich mich einfach dafür interessiere, wie es ihnen geht. Ich ermutige vor allem unsere jüngeren Gläubigen, dass sie sich in ihrer Umgebung umschauen, um zu erfahren, wer Hilfe braucht. Jeder Christ soll verstehen, dass er mitverantwortlich für seinen Nächsten ist. Man kann nicht alles von den Behörden erwarten. Vor allem die alten Menschen brauchen oft Hilfe, unter anderem beim Einkaufen. Die Freiwilligen unserer Pfarrei helfen in solchen Fällen gerne mit.
Das Internet ermöglicht aber schon wunderbare Alternativen für die Gruppenstunden. Wir halten, zum Beispiel, mehrere Gruppenstunden mit den Familien und den Jugendlichen auf den Internetplattformen Zoom oder Skype.
Sie sind als Vikar für pastorale Angelegenheiten für die verschiedensten Bereiche zuständig, wie zum Beispiel Jugendarbeit, Familien oder Laienbildung. Was findet in diesem Sinne noch statt? Wie organisieren Sie die Tätigkeiten?
Wir mussten wegen der Pandemie auf die meisten unserer Programme verzichten. Die Pandemie kam auch für uns, wie für alle eigentlich, sehr überraschend. Wir hatten für jedes Wochenende sogar mehrere geplante Veranstaltungen. Es hat einige Tage gedauert, bis wir nach neuen Möglichkeiten gesucht haben. Wie ich schon erwähnt habe, kommt uns das Internet zur Hilfe. Es kann natürlich nicht alles stattfinden. Die Fortbildung der Laienmitarbeiter, die wir im Februar begonnen haben, setzen wir beispielsweise per Zoom fort. Damals waren über 100 Teilnehmer bei diesem Kurs dabei. Zu unserer Überraschung waren schon beim ersten virtuellen Vortrag zirka 90 Leute dabei. Manchmal haben wir uns über die Technik beklagt. Jetzt merken wir, wie viel davon abhängt.
Sie haben vor Ostern eine Wohltätigkeitsaktion durchgeführt und zusammen mit Ihren Mitarbeitern und Freiwilligen Lebensmittelpakete an bedürftige Menschen verteilt. Planen Sie noch andere Aktionen in diesem Sinne? Wie finanzieren sich solche Aktionen, angesichts der Tatsache, dass es nun nicht mehr möglich ist, Kollekten im Rahmen der Gottesdienste zu organisieren und auch keine Klingelbeutel mehr herumgehen?
Unsere Pfarrei in der Temeswar-Josefstadt ist eine sozial offene Gemeinde. Die Gläubigen haben das Evangelium richtig verstanden, dass wir unseren Glauben vor allem durch die Nächstenliebe zeigen sollen. Wir organisieren im Laufe des Jahres mehrere Aktion für die Bedürftigen, für alte und kranke Menschen. Vor Weihnachten und Ostern bereiten wir immer zirka einhundert Lebensmittelpakete für alte Menschen vor. Diese Aktion wird von unserer Frauengruppe koordiniert. Im November sammeln wir Lebensmittel für Alten- und Kinderheime. Auch sonst spenden die Gläubigen gerne für die Caritas-Organisation oder für den Malteser Hilfsdienst. Diese Wohltätigkeitsaktionen finanzieren wir vor allem aus den Spenden unserer Gläubigen. Wir wollen natürlich diese Aktionen fortsetzen.
Diese größeren Aktionen sind ein Zeichen dafür, dass wir die Botschaft des Evangeliums verstanden haben. Unsere Nächstenliebe soll sich aber auf keinen Fall nur auf bestimmte Aktionen beschränken. Jeder soll in seiner Umgebung aufmerksam sein und durch kleine, alltägliche Dienste den Menschen in Not nach eigenen Kräften und Möglichkeiten beistehen.
Sie halten den Kontakt zu Ihren Gemeindemitgliedern mit Hilfe des Internets aufrecht. Schütten die Menschen nun eher ihre Herzen aus oder sind sie da eher zurückhaltender im Vergleich zum direkten Kontakt?
Natürlich wäre der direkte Kontakt die beste Möglichkeit zum Austausch und zum Gespräch. Wir leben aber in einer Notsituation. Wir sollen die Möglichkeiten der Technik nutzen, um miteinander in Verbindung zu bleiben. Auch per Telefon kann man gute Gespräche führen. Das Telefon und das Internet können aber nicht alles ersetzen. So zum Beispiel ist das Beichtgespräch an die persönliche, direkte Begegnung gebunden. Man kann also nicht per Telefon beichten. Die Kirche will dadurch einerseits das Beichtgeheimnis schützen, aber auch deutlich machen, dass die Technik die persönlichen, menschlichen Begegnungen nicht ganz ersetzen kann.
Was empfehlen Sie den Gläubigen, die kein Internet haben und sonst immer zur Kirche gegangen sind, um diese schweren Zeiten zu überstehen?
Die Hl. Messe ist für uns, Katholiken, sehr wichtig. Soweit es möglich ist, sollen wir an den Gottesdiensten teilnehmen, entweder persönlich oder, in dieser Ausnahmezeit, per Internet. Gott ist aber natürlich nicht nur an die Hl. Messe gebunden. Gott ist in unserem Leben gegenwärtig. Er begleitet uns. Ich empfehle den Gläubigen, die keine Möglichkeit haben, an den Gottesdiensten teilzunehmen, dass sie beten, die Hl. Schrift lesen und vor allem, dass sie die Nächstenliebe jeden Tag praktizieren. Wo Gebet und Liebe sind, dort ist Gott gegenwärtig. Wir sollen niemals vergessen, dass wir trotz der Isolation und Entfernung nicht allein sind, denn Gott ist mit uns. Ich wünsche, dass sich jeder Christ dieser Gewissheit bewusst wird.
Wie stellen Sie sich vor, dass die katholischen Kirchen nach der Pandemie aussehen werden? Wie bisher, oder glauben Sie, dass da vielleicht mehr oder weniger Menschen die Gottesdienste besuchen werden?
Viele Menschen stellen sich die Frage: Wie wird das Leben überhaupt nach dieser schweren Pandemie aussehen? Es ist richtig, dass wir uns diese Frage stellen. Es ist ein Zeichen, dass wir die Botschaft dieser Krisenzeit verstehen möchten. Also was sollten wir aus dieser Krise lernen? Auf diese Fragen suche ich auch, wie so viele, die Antwort. Diese Krise hat unsere menschliche Existenz erschüttert und lässt uns ernsthaft nachdenken: Was ist eigentlich in unserem Leben wichtig? Wozu arbeiten und rennen wir so viel? Worauf bauen wir unsere Existenz auf? Diese schweren Fragen führen mich noch stärker zum Grund meines Lebens, zu Gott. Ich hoffe, dass viele Menschen die Wichtigkeit der Beziehung zu Gott verstehen, dass sie aus dem Glauben heraus die Prioritäten ihres Lebens aufstellen, dass sie mehr Zeit für die wesentlichen Dinge des Leben haben, wie zum Beispiel Familie, Dienst an den Bedürftigen. Ich hoffe und ich bete darum, dass die Post-Corona-Zeit eine Zeit der Erneuerung für die Kirche und auch für unsere ganze Gesellschaft sein wird. Ob das so sein wird oder nicht, wird vor allem von uns, von mir und von Ihnen abhängen.
Vielen Dank für das Gespräch!