Bukarest (ADZ) - Ministerpräsident Victor Ponta ist heute morgen mit Außenminister Andrei Marga und Europaminister Leonard Orban an Bord eines Linienflugs zum EU-Ratstreffen nach Brüssel abgereist.
Ponta ist damit der erste hohe Amtsträger der Nachwendezeit, der ein Urteil des Verfassungsgerichts (VG) missachtet. Am Vortag hatten die neun Verfassungsrichter mehrheitlich befunden, dass der Präsident der verfassungsmäßige Vertreter des rumänischen Staates im Ausland ist.
Laut Urteil des Verfassungsgerichts ist „durch die Ausübung seiner verfassungsmäßigen Befugnisse der Staatspräsident derjenige, der Rumänien bei EU-Ratstreffen vertritt. Der Präsident kann den Premier gegebenenfalls mit diesen Befugnissen betrauen. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes ist ab seiner Veröffentlichung im Amtsblatt Rumäniens rechtskräftig“, so der Befund. Per Eilverordnung unterstellte der Ministerpräsident daraufhin das Amtsblatt der Regierung, was für erheblichen Wirbel in Medien und Zivilgesellschaft sorgte. Das Amtsblatt war bisher dem Parlament untergeordnet gewesen. Wann das Urteil des Verfassungsgerichts nun veröffentlicht wird, ist unklar.
Angriff auf Verfassungsrichter
Auf einer Pressekonferenz teilte Victor Ponta sodann mit, sich über das Urteil der Verfassungsrichter hinwegsetzen zu wollen. „Das Verfassungsgericht gehört Präsident Băsescu“, fünf der neun Richter seien dem Staatschef „hörig“, „wir sehen uns entsprechend in Brüssel wieder“, sagte der Regierungschef. Seine „Legitimität“ sei durch die derzeitige „Parlamentsmehrheit“ gegeben; einerseits gebe es „Băsescu und seine fünf Richter“, andererseits „wir und das Volk“, so Ponta. Der Premier deutete weiters an, dass die Regierungskoalition nunmehr das immer wieder angedrohte Amtsenthebungsverfahren gegen das Staatsoberhaupt einleiten könnte – das „Volk“ müsse entscheiden, ob es noch „durch Băsescu“ vertreten sein wolle. Er werde sich entsprechend mit der Führung der Sozialliberalen Union beraten und danach einen „politischen Entschluss“ bekanntgeben.
Wenig später setzte Justizminister Titus Corlăţean zu einem ersten Schlag gegen den Verfassungsgerichtshof ein: Zwei Verfassungsrichter – nämlich dessen Präsident, Augustin Zegrean, und die Richterin Iulia Motoc – seien unvereinbar mit ihren Ämtern, da sie nebenbei noch andere entlohnte Tätigkeiten ausüben würden, beide müssten umgehend abberufen werden. Die Nationale Integritätsbehörde ANI widersprach dem Justizminister prompt: Keiner der beiden Verfassungsrichter sei inkompatibel, auf keinen der beiden treffe „die vom Gesetz 176/2000 definierte Inkompatibilität“ zu. ANI-Chef Horia Georgescu rügte zudem, dass „nicht der Justizminister festzulegen hat, wer hierzulande mit einem Amt unvereinbar ist oder nicht“, sondern die Justiz.
Reaktion: Verstoß gegen Rechtsstaat
Die Opposition zeigte sich schockiert über die „schweren Verstöße“ der aktuellen Machthaber gegen „Rechtsstaat und Demokratie“, der amtierende Premier wiegele „zur Missachtung geltenden Rechts“ auf, monierte Ex-Regierungschef Mihai Răzvan Ungureanu. Ex-Umweltministerin Sulfina Barbu erklärte, dass „die PDL derartigen Angriffen auf den Rechtsstaat nicht untätig beiwohnen“ werde – Ponta mache sich strafbar, die PDL werde „Rechtsschritte“ überlegen.