„Wenn ich jetzt zurückblicke, dann sehe ich nur das Schöne“. Es sind die Worte, die der inzwischen verstorbene Waldemar Leonhardt vor der Kamera sagt, die man noch lange mit sich trägt, nachdem man den fünfminutigen Kurzfilm über sein Leben gesehen hat. Und das, obwohl die Familie des 1933 geborenen Kronstädters viel durchmachen musste. Leonhardt erinnert sich, wie ein russischer Oberst, der das goße Zimmer im schönen Haus der Familie besetzt hatte, auf dem Parkett Feuer machte. Nach dem Krieg folgte die Zwangsumsiedlung nach Covasna. Hier war es so kalt im Haus, dass sich seine Mutter auf den Kleiderschrank setzen musste, weil es oben ein wenig wärmer war. Es gab aber auch viele schöne Momente in seinem Leben – er erinnert sich gerne an die vielen Silvesternächte und Faschinge, die er in seinem Haus organisierte und zu denen 40-50 Leute kamen. Viele dieser schönen Erinnerungen sind in Schwarzweiß-Fotos festgehalten.
„Ich liebe das Leben”. Unter diesem Titel hat die Journalistin und Filmemacherin Laura Căpățână-Juller am 4. November drei Kurzfilme über Siebenbürger Sachsen aus Kronstadt im Festsaal des Demokratischen Forums der Deutschen vorgestellt. Ingeborg Rosemarie Filipescu (geborene Mittner), Astrid Hermel und Waldemar Leonhardt erzählen in knapp 20 Minuten über ihre Kindheit, ihre Leidenschaften und Freuden, über Deportation, Auswanderung von Freunden und Familie, über Kommunismus, aber auch über Liebe, Traditionen und Festlichkeiten. Ihre Geschichten dienen als ein Zeitzeugnis der deutschen Gemeinschaft in Kronstadt – einer Gemeinschaft, deren Mitgliederzahl heute nur noch gering ist, deren Bildung, kulturelles Erbe und geistiges Leben jedoch klar konturiert und tief verwurzelt sind.
Auf die Idee, die Filme zu drehen, kam Căpățână-Juller durch die Arbeit in der Redaktion der Karpatenrunschau. Bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2018 kam immer Gernot Nussbächer zu Besuch in die Redaktion. Durch Gespräche mit ihm wurde sie angeregt, mehr über das Leben der älteren Generationen zu erfahren.
Das Leben ist lebenswert, auch wenn große Träume nicht wahr werden
Ingeborg Filipescu ist seit über 50 Jahren aktives Mitglied der Honterusgemeinde und fungiert seit mehr als drei Jahrzehnten als ehrenamtliche Lektorin in Kronstadt und den Kirchengemeinden im Burzenland. Stets hat sie sich mit ganzem Herzen in das soziale und kirchliche Leben eingebracht.
Im Kurzfilm erzählt sie über ihre Kindheit. Krankheiten, der Zweite Weltkrieg und dessen Folgen setzten ihrer Familie nicht nur bezüglich der Deportation des Vaters schwer zu – nur zwei der fünf Kinder lebten 1945 noch. Es war keine Zeit, in der Träume wahr werden können. Und so wurde auch der Lebenstraum von Ingeborg zerstört: ihr Wunsch, Medizin zu studieren.
„Ich mag den Geruch von Krankenhäusern”, sagt sie lachend. So gerne hätte sie in einem Spital gearbeitet, doch es kommt nicht immer so, wie wir es uns wünschen. Die Technikerausbildung und der Berufseinstieg brachten jedoch die Begegnung mit ihrem späteren Gatten, dem Ingenieur Alexandru Filipescu. Inzwischen ist er verstorben, doch im Kurzfilm ist er noch neben seiner Ehefrau zu sehen.
Seit 1991 betreibt Astrid Hermel in Kronstadt den Aldus Verlag und die gleichnamige Antiquariatsbuchhandlung, nach der Wende landesweit das erste private Antiquariat.
Vor fast 60 Jahren hat sie ihre Karriere als Antiquarin begonnen. 1985 übernahm sie die Leitung des staatlichen Antiquariats in der Hirscher-Gasse, im Sommer 1991 eröffnete sie ihren eigenen Laden, das Aldus-Antiquariat. Im Kurzfilm erzählt Hermel, wie in der Kindheit ihre Liebe zu Büchern entstanden ist, nachdem ihr Nachbar, Herr Andrasy, der ein Büro voller Bücher hatte, ihr immer welche auslieh.
Besonders emotional ist der Moment, in dem Astrid Hermel das Treffen mit ihrem späteren Ehemann auf einem Ball beschreibt. Dieser war mit einer Freundin gekommen, tanzte aber nur mit Astrid. Doch auch die Freundin lernte an diesem Abend einen jungen Mann kennen. Und bis zum Schluss heirateten beide Paare.
Sowohl Ingeborg Filipescu als auch Astrid Hermel waren bei der Projektion der Kurzfilme anwesend, zeigten sich sehr gerührt und dankten den vielen Anwesenden für ihre Freundschaft und Unterstützung.
Es folgen auch andere Kurzfilme
Die drei Kurzfilme sind als Pilotprojekt gedacht, weiterhin nimmt sich Laura Căpățână-Juller vor, auch andere Mitglieder der siebenbürgisch-säschischen Gemeinschaft zu interviewen. Die Kurzfilmreihe könnte danach durch Schulen aus ganz Siebenbürgen touren. Durch die Lebensgeschichten der Protagonisten wird ein Stück Geschichte der letzten Jahrzehnte für immer verewigt. Die Generation der heute 70-, 80- und 90-jährigen ist bewunderswert. Sie hat direkt unter den Folgen von Krieg, Deportation und Diktatur gelitten, sie hat schwere Zeiten durchgestanden, die die Jugendlichen von heute nur aus Filmen kennen. Und trotzdem ist es gerade diese Generation, die den Jüngeren vorlebt, was Mitgefühl und Menschlichkeit, aber auch was Lebensfreude ist. Die drei Protagonisten der Kurzfilmreihe von Laura Căpățână-Juller haben ganz verschiedene Lebensgeschichten. Doch was sie alle gemeinsam haben ist die Stärke, trotz Schwierigkeiten und Hindernissen das Leben schön und lebenswert zu finden. Sich mehr an das Schöne zu erinnern als an die Schattenseiten. Denn das Schöne, wie Waldemar Leonhardt sagt, ist das, was bleibt.





