„Wo ist das Wasser?“, rief ich entgeistert, als ich meinem Bruder im Frühjahr den Cișmigiu-Park in der Innenstadt von Bukarest zeigen wollte – das grob 16 Hektar große Herz der Stadt. Bereits seit dem Ende des 18.Jahrhunderts gibt es diesen Park, welcher unter anderem vom Wiener Gartenarchitekten Carl Friedrich Wilhelm Meyer in der Mitte des 19. Jahrhunderts um mehr als 30.000 Bäume und Sträucher erweitert wurde. Doch ohne Wasser wirkte der Park wie ein Herz ohne Blut: leer und tot.
Eigentlich ist der Cișmigiu-Park ein besonderer Ort in Bukarest. Obwohl in der Nähe der Prachtstraße Calea Victoriei, dem Boulevard Regina Elisabeta und den reicheren Innenstadtvierteln gelegen, kann man ihn unabhängig der Größe des Portemonnaies besuchen. Zwar muss man dann womöglich auf das Cafè in der Mitte des Sees verzichten, oder auf das Ausleihen von einem Boot, dafür findet ein jeder Platz auf den zahlreichen Bänken im Park, oder auf einer grünen Wiese. Kaffee kann man auch selbst mitbringen. Erfahrungsgemäß gibt es auch einige Bukarester, die immer gerne einen kleinen Umweg durch den Park einlegen, wenn sie in der Stadt Besorgungen erledigen. Die Natur, das Wasser, die paar kleinen Cafès, die Rondelle... Oder vielleicht auch wegen der Menschen, die in der Natur so viel friedlicher aussehen als in der Stadt. Ältere Herren spielten bereits vor der Wende Schach im Park und tun dies immer noch, scherzen dabei und genießen den Tag. Familien rollen mit ihren Kinderwägen über den Asphalt, Pärchen schauen sich händchenhaltend verliebt in die Augen. Und im Winter wird der See zur Eisbahn, bis zu tausend Personen können hier Eislaufen. Das Schönste ist wohl, wenn man sich selber in einer solchen Situation befindet. Oder eine Zufallsbegegnung erlebt, welche sich oft ganz unerwartet ereignet. Eigentlich ist Bukarest ja eine Großstadt, aber im Cișmigiu ist es immer möglich, einen Bekannten zu treffen. Wo-möglich müsste dieser eigentlich schnell wieder nach Hause, aber die warme Luft, die schöne Natur... und schon dauert die Begegnung mit einem Freund doch noch zwei Stunden. Und ein Bier mehr kann auch nicht schaden.
Als ich mit meinem Bruder vor dem leeren Cișmigiu-See stand, musste ich auch erstmal ein einen großen Schluck nehmen. Wie gern hätte ich ihm das Herz meiner Lieblingsstadt gezeigt, welches nun (gottseidank nur vorübergehend) leer und ausgetrocknet vor mir lag. „Glaub mir, eigentlich ist es superschön hier“, versicherte ich ihm. „Es ist trotzdem sehr schön hier!“, sagte er und wir stießen an, gingen plaudernd durch den Park, schauten uns die Menschen an und sprachen über alle Bekannten, die man hier zufällig gleich noch treffen könnte.