Das armenische Viertel von Bukarest wartet mit vielen Schätzen auf – für denjenigen, der sie zu entdecken weiß. Eines dieser Kleinode versteckt sich in der Strada Popa Petre 6. Es heißt Galeria Posibilă und ist beheimatet in einer herrlichen Villa im Historismus-Stil mit neorumänischen Einflüssen.
Hier wird derzeit die Ausstellung „Peisaj“ / „Landschaft“ präsentiert, ein Kunstprojekt, das sich den kreativen Austausch zwischen rumänischen und österreichischen Fotografen zum Ziel gesetzt hat. Auf den von der Galeria Posibilă kuratierten, ersten Teil der Doppelausstellung, die zwischen dem 4. September und dem 6. Oktober vergangenen Jahres in einem der größten Kulturhäuser Europas, dem Wiener Werkstätten- und Kulturhaus (WUK), stattfand und die unter anderem Arbeiten von Mihai Șovăială, Florin Ghenade, Irina Botea Bucan und Ana Șaran zeigte, erfolgte nun vonseiten der Bukarester Galerie Posibilă die Gegeneinladung. Mit der Unterstützung des Österreichischen Kulturforums unter der Leitung von Thomas Kloiber kuratierte Susanne Gamauf als Repräsentantin des Künstlerkollektivs Fotogalerie Wien den zweiten Teil der Schau.
Wer das Gebäude betritt, stellt zunächst fest, dass hier keine strenge Sterilität herrscht, wie dies bei modernen Galerien oftmals der Fall ist. Die drei Räume atmen Geschichte, hier hielt und hält das Leben Einzug. Die Besucher erwarten im ersten kleinen Saal Arbeiten von gleich drei Künstlern: Markus Guschelbauer, Michael Höpfner und Lea Titz.
Während der Kärntner Guschelbauer die Betrachter mit seinem Werk „Taming of Landscape“, das mit dem Auslassen und Hinzufügen von Informationen spielt, zum Auf-sich-wirken-lassen der mit abstrakten Farbkästen versehenen Komposition einlädt, zeugt Höpfners aus 12 gerahmten Bildern und 14 Tagebucheinträgen bestehendes Arrangement „Aufzeichnungen einer Wanderung nach Drak Yul“ von seinen einsamen Fußreisen durch tibetanische Täler und über steile Plateaus in mehr als 3500 Metern Höhe. Dabei ist das Wandern für Höpfner künstlerische Methode, er sucht die geistige und körperliche Herausforderung für seinen Schaffensprozess. Bei seinen teilweise monatelangen Märschen konnte er Mitte der 2000er Jahre nicht auf Hilfsmittel wie GPS zurückgreifen, Tibet auf Google Maps glich einem abstrakten Gemälde. Die Erkundung der klimatisch extremen Umgebung erfolgte anhand der groben Beschreibungen eines Wanderers aus Taiwan, der die Gegend zu Beginn der 1990er Jahre erschlossen hatte.
Lea Titz wiederum arbeitet mit Videomaterial, das die Zuschauer mit kleinen, gewöhnlichen Dingen konfrontiert, welche üblicherweise wenig Aufmerksamkeit erhalten. Ihren Ansatz umschreibt sie selbst als poetischen Konzeptualismus. „Sculpture Park Montello“ heißt die Arbeit und nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise durch einen fiktiven Skulpturenpark inmitten der Wüste. Die dazu eingespielten Audiokommentare und die ungewöhnliche Maßstabsverschiebung sorgen für einen profund des-orientierenden Effekt.
Der zweite Raum ist dem Kunstwerk „Expected Encounters Revisited“ von Claudia Rohrauer gewidmet. Auf drei immensen, seitlich verschiebbaren Tafeln sieht der Interessierte die von der Künstlerin fotografisch festgehaltenen Wälder Finnlands, nach dem Vorher-nachher-Prinzip montiert, sommers in saftigem Grün mit kühlendem Schatten sowie in kontrastreichem Schwarzweiß das winterliche Gegenstück.
Der dritte und letzte Raum bietet den Werken des Pragers Robert Bodnar und des Linzers Thomas Albdorf Platz. „Heliocentric“, die Video-Installation von Bodnar, gibt den Besuchern die Gelegenheit, sich mit einem Zeitraffer-Film auseinanderzusetzen, welcher die Sonne, das Licht und die Bewegung des Erdballs zum Gegenstand hat. Die wahrgenommene Bewegung der Sonne wird mithilfe astronomischer Werkzeuge umgekehrt, beim Blick auf die Monitore am Boden wird das Gefühl einer sich unter den eigenen Füßen bewegenden Erde hervorgerufen. Zusammengesetzt ist die Arbeit aus Tausenden von Einzel-Fotografien, welche ein Gesamt-Bild ergeben, das sein Motiv in vielen verschiedenen Stufen zur gleichen Zeit präsentiert.
Thomas Albdorfs den Titel „General View“ tragendem Werk liegt die Frage zugrunde, in welcher Weise das Internet unsere Wahrnehmung von der Welt formt und beeinflusst. Der Künstler bezieht sich dabei auf den Yosemite Nationalpark in den Vereinigten Staaten, einen der meist besuchten und meist fotografierten Orte des Planeten, und fragt sich, ob noch die Notwendigkeit bestehen kann, selbst dort hinzureisen, um davon womöglich gar noch mehr Aufnahmen zu machen.
Die Ausstellung „Landschaft“ kann noch bis zum 4. Mai 2019, von Donnerstag bis Samstag, von 17 bis 21 Uhr kostenlos besucht werden (Galeria Posibilă, Strada Popa Petre 6, Bukarest.)