Die Deportation der Rumäniendeutschen in die UdSSR zur sogenannten Wiederaufbauarbeit ist publizistisch und literarisch erstmals bis um die Mitte der 1950er Jahre thematisiert worden. Die Deportation wurde nach den Schlüsselbegriffen der offiziellen Propaganda des Bukarester Regimes behandelt und sollte das Ziel verfolgen, die diskriminierte deutsche Bevölkerung Rumäniens in das installierte politische System einzugliedern. Als 1955 das Rumänische Repatriierungskomitee und parallel zu ihm die Monatsschrift „Glasul Patriei“ gegründet wurden, ist das Thema allmählich gewechselt worden. Man ging zu einer Propaganda über, die darauf abzielte, aus Rumänien stammende Personen, die emigriert waren, zu überzeugen zurückzukehren.
Über das Resultat dieser Propaganda zur Rückkehr nach Rumänien sind dem Autor bisher keine messbaren Resultate bekannt. Der Schriftsteller und Schauspieler Hans Kehrer, alias Stefan Heinz, der Mitglied jenes Repatriierungskomitees war, schätzt in seinen Memoiren, dass damals mindestens 3000 Rumäniendeutsche aus Deutschland oder Österreich zurückgekehrt sind (siehe Stefan Heinz-Kehrer, „Im Zangengriff der Zeiten. Ein langes Leben - in kurzen Geschichten“, Bukarest, 2003, S.328; siehe auch „Raport de activitate în cadrul Comitetului Romîn pentru repatriere“, 14 martie 1957, ACNSAS, R 292332, f. 23.).
Eine Reihe von Schriftstellern sind in der Ceaușescu-Zeit auf das Thema der Deportation der Rumäniendeutschen zurückgekommen. Diesmal allerdings aus einer kritischen Perspektive. Einen Impuls dazu lieferte Ceaușescu persönlich. 1972 sprach er in einer seiner Reden über „falsche Maßnahmen“, die der Volkswirtschaft und der Nationalitätenpolitik „schwere Schäden zugefügt“ hätten. Ceaușescu vermied es offensichtlich, von „Deportationen“ zu sprechen, sondern er machte bloß Andeutungen über eine „Umsiedlung“ in die Bărăgan-Steppe. Wörtlich sagte er: „Auch nach der Befreiung unseres Vaterlandes wurden falsche Maßnahmen getroffen. Ich zitiere hier die Umsiedlung der deutschen und serbischen Bevölkerung, die vollkommene Enteignung des Landwirtschaftsbesitzes, den die Deutschen ihr Eigen genannt hatten, aber auch weitere wirtschaftliche Maßnahmen, die den betroffenen Bevölkerungen schwere Schäden zugefügt haben, aber auch der gesamten Volkswirtschaft schadeten, vor allem aber unserer nationalen Politik ganz allgemein.“ (siehe Nicolae Ceaușescu, „Bericht bezüglich der wirtschaftlich-sozialen Entwicklung Rumäniens in den kommenden Jahren und in weiterer Perspektive, zur Perfektionierung der planmäßigen Entwicklung der Gesellschaft und zur Entwicklung der sozialistischen Demokratie, zur Erhöhung der Führungsrolle der Partei beim Aufbau des Sozialismus und des Kommunismus, bezüglich der internationalen Aktivität der Partei und des Staates“, in: Nationalkonferenz der Rumänischen Kommunistischen Partei, 19.-21. Juli 1972, Ed.politică, Bucuresti, 1972, S.13-107, hier S.78).
Johann Lippet, Gründungsmitglied der Aktionsgruppe Banat, hat das Thema der Deportation in seinem Langgedicht „Biographie. Ein Muster“ (Kriterion, Bukarest, 1980, Umschlaggestaltung: Edmund Höfer) behandelt. Ein erstes Fragment dieses Poems las er im deutschen Literaturkreis von Temeswar im November 1977. Er beschreibt u. a. das Schicksal seiner Mutter, die deportiert wurde, aus der UdSSR in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands geschickt wurde, sich von dort nach Österreich durchschlug und von Österreich mit der gesamten Familie 1956 nach Rumänien repatriiert wurde. Anbei ein Auszug daraus (Gabriel Gafița gab es 1983 bei Cartea Românească rumänisch heraus): „...und dann kam der frühling/der sommer/der herbst/und der winter/und wieder der frühling/der sommer/die hitze/und die malaria//malaria/ und meine mutter/fütterte sich durch den tod/mit chinin/und ihrem ersparten geld/und faßte hoffnung/als ein transport nach hause sollte/zum wiederaufbau untauglich geworden/(...)“.
Über die Erstlesung des Poems im Literaturkreis und die darauf folgenden Diskussionen informierte der ehemalige „Bibliothekar von Auschwitz“, Hans Mokka, die Securitate, in seiner Eigenschaft als Spitzel „Mayer“ (siehe auch: Johann Lippet, „Das Leben einer Akte. Chronik einer Bespitzelung“, Wunderhorn, Heidelberg, 2009, S.50-51).
In Alarmbereitschaft versetzt, weil auch andere Autoren des Literaturkreises begannen, das Thema Deportation der Rumäniendeutschen zu behandeln, stellte die Securitate einen Bericht zusammen, der dem Ersten Sekretär des Kreisparteikomitees Temesch, Mihai Telescu, vorgelegt wurde. In diesem verdeutlicht der kommunistische Repressionsapparat, dass er nicht einverstanden ist, dass sich die Schriftsteller mit diesem Thema zu beschäftigen beginnen.
Aus einem anderen Bericht desselben „Mayer“ erfährt die Securitate, dass Hans Kehrer/Stefan Heinz 1978 „Viehwaggon 21“, ein Theaterstück, im Literaturkreis vorgestellt hat, wo der Transport der Deportierten in die sowjetischen Zwangsarbeitslager behandelt wird. Der Spitzel berichtet über die nachfolgenden Diskussionen und geht auf die Stellungnahme von Johann Szekler ein, Ex-Direktor des Deutschen Staatstheaters Temeswar. Der hätte gestanden, dass „auch er zur Wiederaufbauarbeit in die UdSSR verschickt worden ist und dass er dort, im Lager, den Sowjetbürgern, die ihre Arbeit überwacht haben, gesagt habe, er sei ein Kommunist noch aus der Illegalität, dass diese ihm aber geantwortet hätten, er möge durch Arbeit beweisen, dass er Kommunist aus der Illegalität ist. Szekler hat behauptet, das sei kein gutes Benehmen ihm gegenüber gewesen.“ (ACNSAS, I 210847, Bd. 2, Blatt 100-100v, hier Blatt 100)
Der Securitate-Offizier, der solche Informationen weitergeleitet hat, notierte zum Schluss, seiner Meinung nach sei die Aufführung eines solchen Theaterstücks am Deutschen Staatstheater Temeswar (DSTT) „nicht opportun“ (ANCSAS, idid. Blatt 100ff).
Nicht uninteressant ist, dass Johann/Ioan/Szekler (1902-1997) zwischen 1956-1971 Direktor des DSTT war und selber didaktisch-schematische Theaterstücke schrieb. Er war Mitglied der Kommission, die die literarische Expertise ausgearbeitet hat, aufgrund welcher die Kronstädter Gruppe deutscher Schriftsteller 1959 verurteilt wurde, und zwar wegen „einer Serie von Werken mit nationalistischem, mystischem, konfusem, feindlichem Inhalt, die mit dem Ziel verfasst wurden, unser Regime der Volksdemokratie zu untergraben” (siehe das Protokoll vom 24. April 1958, ACNSAS, P 331, Bd. 1, S. 405-420).
Szeklers Biografie aus der Zeit des Stalinismus ist bisher nicht untersucht worden. In den 1970er und 1980er Jahren trat Szekler im Temeswarer „Adam Müller-Guttenbrunn“-Literaturkreis als Konservativer auf, argumentierte unter dem Einfluss des sozialistischen Realismus und widersetzte sich der experimentierfreudigen Literatur der Nachwuchsautoren, die die bestehende Situation kritisch begleiteten.
Auch Nikolaus Berwanger trat ins Visier der Securitate, der liberale Parteiaktivist und Chefredakteur der „Neuen Banater Zeitung“ (NBZ). In einer Infonote vom Frühjahr 1977 heißt es, Berwanger habe bekannt gegeben, dass er an einer Autobiografie arbeite über sein Leben und Schaffen, „in deren Folge ich auch beabsichtige, das Problem der Verschleppung der deutschen Bevölkerung zur Wiederaufbauarbeit in die UdSSR zu behandeln.“ Im Bericht heißt es, Berwanger habe gemeint, wenn Marin Preda in seinem kontrovers diskutierten Roman „Delirul“ (1975) den faschistischen Diktator Ion Antonescu zu rehabilitieren sucht, dann kann er auch über die Deportation der Deutschen schreiben. „Zur Äußerung von Berwanger“, heißt es im anonymen Bericht, „ergriffen mehrere Teilnehmer das Wort, so Johann/Ioan/Szekler, Ex-Direktor des DSTT. Dieser meinte, `dass es an der Zeit ist, auch über die Verschleppung der Deutschen zur Wiederaufbauarbeit in die UdSSR zu schreiben, denn bisher hatte niemand den Mut, darüber zu berichten, obwohl das Thema heute, nach Euren Äußerungen, ein politisch aktuelles Thema sein müsste`” (ACNSAS, I 210847, Bd. 2, Blatt 46-46v, hier Blatt 46.).
Das Thema der Deportationen wurde auch nach 1990 aufgegriffen, sowohl literarisch, als auch als Geschichtsthema. Ein grundsätzlicher Mangel der postkommunistischen literarisch-künstlerischen Aufarbeitung ist die Ignorierung der historischen Fakten, die mit Fiktion ersetzt werden, was zu Subjektivismus und Ressentiments führt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Roman „Lindenfeld“ von Ioan T. Morar (Polirom, Iași, 2005). Hier werden die wirklichen Ursachen der Verschleppung verschwiegen. Laut Morar sind die Deutschen aus Lindenfeld von der Securitate gejagt und deportiert worden „in die sibirischen Wüsten“, weil sie sich weigerten, die von der Securitate gejagten rumänischen Partisanen aus den Bergen ringsum zu verraten. Das fiktive Argument übernimmt auch Marius Chivu in seinem Vorwort. So kommt es zu Verzerrungen in diesem Roman, der sich auf das real existierende heute verlassene Lindenfeld im Banater Bergland bezieht. Radu Gabrea, der als Regisseur daraus 2014 einen Film machte („Eine Liebesgeschichte – Lindenfeld“) drückt noch stärker auf die fiktionale Taste. Die Deportationen fanden hier im Sommer 1945 statt.
Das sind nur zwei Beispiele von flagranter Abweichung vom Realitätsgehalt der traumatischen Ereignisse, die im Januar 1945 ihren Lauf nahmen und die zutiefst verankert sind im kollektiven Bewusstsein der Rumäniendeutschen. Durch Ignorierung der geschichtlichen Wahrheit wird auch die Grundbotschaft des Mit-Leids, die solche Werke vermitteln wollen, vermindert. Und die geschichtliche Wahrheit verschleiert.
(Gesendet in rumänischer Sprache von RFE - Radio Europa Liberă. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Werner Kremm)