Das Rumänische Kulturinstitut Berlin lud am 7. November zur Vernissage in die RKI Galerie in der Reinhardtstraße 14. Eröffnet wurde die Doppel-Ausstellung zweier junger Künstlerinnen: Andreea Cioran und Ileana Pascalau. Sie trägt den Namen „I looked my best tonight“ und überrascht den Besucher mit einer Vielzahl unterschiedlicher Werke, von denen einige zum Mitmachen und Eintauchen einladen. Gearbeitet wird dabei multimedial, es kommen Fotografie, Bildhauerei, Zeichnung, Installation und Virtuelle Realität zum Einsatz.
Die Thematik, die die Schau der beiden trotz unterschiedlicher künstlerischer Herangehensweise zusammenhält, ist der weibliche Körper. Kritisch setzen sich die beiden mit den sich permanent im Wandel befindlichen Schönheitsidealen auseinander und hinterfragen die dadurch beförderte künstliche Transformation von weiblichen Körpern. Die Zweiteilung der Ausstellung vollzieht sich wie folgt: Pascalaus Bezugspunkte sind körperbezogene Praktiken und Rituale, die aus der Geschichte des (Ab)Bildes abgeleitet sind. In Referenz zu Gewesenem – ornamentale Reliquien, anatomische Venus-Figuren – konstruiert die Künstlerin konstante Verbindungen zwischen historischen und Gegenwartsmotiven. Ihre Werke sind Verschmelzungen voller (pop)kultureller Verweise.
Zum Beispiel das Werk „Blissful Burden“: Der sich ekstatisch aus dem Erdboden empor reckende, mit allerlei Perlen versehene, weibliche Torso inmitten des Ausstellungsraumes scheint in seiner perfekten Künstlichkeit einem japanischen Cyber-Manga wie dem 1989 erschienenen „Ghost in a Shell“ entsprungen. Und doch ist diesem eitlen Gegenstand in halb-menschlicher Gestalt Vergänglichkeit eingeschrieben: Der das Gesicht umgebende Schmuck ist in Form eines Totenkopfes arrangiert, am Körper nimmt er die Gestalt eines Skelettes an. Den Betrachter lässt es an Totenkulte denken, die Bestattungskultur der Pharaonen, Eitelkeit und Materialismus bis weit über den Tod hinaus, schön in alle Ewigkeit.
„Pretty consume / d“ ist der Name eines Ausstellungsstückes, bei dem es sich um ein Schuhpaar in einem Schaukasten handelt, das auf den ersten Blick etwas Märchenhaftes verströmt, man denkt sogleich an Aschenbrödels gläserne Fußbekleidung. Doch dieser wohnt eine Doppelbödigkeit inne, die als Systemkritik gelesen werden kann, denn in den Sohlen des prächtig anmutenden Schuhwerkes tummelt sich allerlei Gewürm.
Ein mit roten Lippenstiften bestückter Patronengürtel mit dem Titel „Kickback“ weckt ebenfalls mehr als eine Assoziation: Einerseits liest sich ein solcher Gegenstand wie ein ironischer Kommentar zu der dem aggressiven Konsumismus unserer Tage inhärenten Gleichschaltung. Andererseits suggeriert er auch Stärke, Wehrhaftigkeit, Selbstbestimmung. Zugleich kann in der Symbolik ein Hinweis auf die Käuflichkeit von Status verstanden werden, stets schwingt auch Kritik am Jugend- und Schönheitswahn, am sich immer verbissener in das gesellschaftliche (Unter-)Bewusstsein hineinfressenden Selbstoptimierungsdogma mit. Der Körper ist 200 Jahre nach Beginn der Industriellen Revolution in Zeiten von Tinder und Instagram längst selbst zur (Massen-)Ware verkommen, was nicht gefällt, wird weggeklickt oder mit schändlich erniedrigenden Kommentaren aus der wohlig anonymen Sicherheit des weltweiten Netzes überzogen. Der Druck zum Konformismus ist enorm – was dem Plan-Sozialismus nicht geglückt ist, ist dem auf Massenverbrauch getrimmten Hedonismus unserer Tage ein Leichtes.
Andreea Cioran widmet sich selbiger Thematik aus einem anderen Winkel, namentlich dem der digitalen Massenkommunikation. Es geht um neue Formen der Selbstdarstellung oder um die Schaffung alternativer, virtueller Identitäten. Stichworte: Selfie und Avatar. Dies geschieht bei der rumänischen Künstlerin anhand einer Technik der Fragmentierung, welche sich am eindrücklichsten an dem Werk „My Monster“ exemplifizieren lässt. Hierbei handelt es sich um einen transparenten Quader von beachtlichen Dimensionen, dessen Innenleben sicherlich nicht zufällig an ein Einkaufszentrum denken lässt. Darin schweben, scheinbar von Naturgesetzen losgelöst, kleinformatige fleischfarbene Hexaeder und Abbildungen einzelner Gesichtsmerkmale wie Augen und Lippen. Was manche feministische Strömungen als den „Male Gaze“ kritisieren, also das männliche Anstarren des weiblichen Körpers, das Fokussieren auf einzelne Körperteile, das Hervorheben von Ausschnitten, kurz, die Objektivierung des weiblichen Körpers statt seiner Darstellung in unversehrter und / oder unvollkommener Ganzheit, wird hier ironisch gebrochen, es wird knallbunte Kritik geübt an der an Dr. Frankensteins Praktiken erinnernden Schaffung neuer Wesen, dieser nicht selten durch plastische Chirurgie herbeigeführten Modifikation einzelner Körperteile oder -merkmale, die in groteske (Selbst-)Verstümmelung münden kann. Auf der pathologischen Suche nach Unvergänglichkeit wird in Zeiten der gesellschaftlich akzeptierten und von der Wirtschaft geförderten Idiolatrie die eigene körperliche Unversehrtheit aufs Spiel gesetzt, um den von der Werbeindustrie propagierten und durch allerlei Techniken des Retuschierens festgelegten Normen zu entsprechen.
In dem über Ecke angebrachten Druck namens „recomposing“ werden drei stark verpixelte Selfies der Künstlerin mit unterschiedlichen Haarfarben gezeigt. Die drei Gesichter muten an wie aus einem Computerspiel, befinden sich dabei in partieller Auflösung und gehen in einen waagrecht farbigen Strichcode über. Ein weiterer Verweis auf die wild um sich greifende Selbstvermarktung, im Zuge derer es zu Identitätsverzerrungen kommt. Die Konstruktion von öffentlich zur Schau gestellten Körpern hat radikal Einzug in die Lebensrealität vieler, oftmals noch sehr junger Menschen gehalten – mit teilweise fatalen Auswirkungen auf Selbstachtung und Eigenakzeptanz.
Die Ausstellung in den Räumlichkeiten des Rumänischen Kulturinstituts Berlin kann noch bis zum 19. Dezember besucht wer-den. Um 19 Uhr findet an diesem Datum die Finissage statt.