In Bukarest schafft es das SoNoRo Festival, seit einigen Jahren eine immer größere Gemeinschaft für ein Genre zu begeistern, das weltweit ein Nischendasein fristet: die Kammermusik. In unserer schnelllebigen Zeit wird sie oft unterschätzt und für das Publikum eher als unattraktiv betrachtet. Dabei zeigt SoNoRo auf eindrucksvolle Weise, wie die richtige Mischung aus großartigen Musikern aus aller Welt, stets spannenden Programmen und überraschenden Themenschwerpunkten, wie der Dadaismus in diesem Jahr, ein stetig wachsendes Interesse des Publikums hervorbringen kann.
Darüber hinaus finden die Konzerte nicht nur in den etablierten Konzertsälen statt (das Rumänische Athenäum, der Konzert-saal des Rumänischen Rundfunks, das Auditorium des Kunstmuseums), sondern auch an eher selten als Konzertsäle genutzten Orten in Bukarest, wie in diesem Jahr das Foyer des Museums für Zeitgenössische Kunst (MARe-Muzeul de Artă Recentă), der Choral-Tempel, die St. Joseph-Kathedrale, die Aula der Akademie für Wirtschaftswissenschaften, das Palais Bragadiru u. a.
Das diesjährige Thema des Festivals, DADA, passt wunderbar zu SoNoRo, denn es steht für viele der Werte, die das Festival ausmachen, nämlich das Unkonventionelle, das Experimentelle, das Hinterfragen von allgemein akzeptierten Normen.
Traditionsgemäß wird das Festival in der Sala Unirii des Cotroceni-Palastes eröffnet, wie immer mit einem Programm, welches das Thema des Festivals mit einem Meisterwerk der Kammermusik versöhnt.
Eröffnet wurde der Abend des 1. November mit Ciprian Porumbescus „Ballade“ für Violine und Klavier, mit der wunderbaren Geigerin Mihaela Martin, die das oft zu sehr ins Virtuose übersteigerte Stück herrlich intim, lyrisch und intensiv spielte. Mit John Cages „4‘33“ stand ein Werk auf dem Programm, das ganz der Stille gewidmet ist. Viereinhalb Minuten wird kein Ton gespielt. Das Publikum ging auf das Experiment ein und ließ die Ruhe ungetrübt.
Mit Beethovens frühem Klaviertrio Es-Dur wurde wahre Spielfreude verbreitet, bevor eine Performance von Hugo Balls Gedicht „Karawane“ von 1917, eines der programmatischen Werke der dadaistischen Lautpoesie, das Thema des Festivals ins Rampenlicht stellte.
Mit Franz Schuberts Streichquintett C-Dur wurde eines der bedeutendsten Werke der Kammermusik überhaupt aufgeführt. Eine der letzten Kompositionen Schuberts, deren Dimension an die seiner Großen C-Dur Sinfonie erinnert, ist sie von großer Intensität, voller wunderbarer Melodien und emotionaler Tiefe. Gerade das elegische Adagio (2. Satz) gehört zu dem Schönsten, was das Genre zu bieten hat. Mihaela Martin, Nicolas Dautricourt (Violine), Răzvan Popovici (Viola) sowie Frans Helmerson und Justus Grimm (Cello) boten eine hervorragend homogene, bis ins kleinste Detail ausgefeilte Lesart des Quintetts und ernteten wohlverdienten, lang anhaltenden Applaus und Ovationen.
Ein weiterer Höhepunkt des Festivalbeginns war die Aufführung der „Fuchsiade“, ein heroisch-erotisches und musikalisches Prosapoem von Urmuz, einem der Vorläufer der rumänischen und europäischen Avantgarde-Literatur.
Die Lektüre der fabelhaften Geschichte von Urmuz, vorgetragen von Andrei Țărnea, wurde musikalisch begleitet von dem Geiger Nicolas Dautricourt, dem Cellisten Justus Grimm und der Pianistin Diana Ketler, mit Werken von Chopin, Bach-Busoni, Prokofjew, Erwin Schulhoff, Fritz Kreisler und Antonin Dvorák.
Auch hier zeigte sich, dass das kreative Element für dieses Festival konstitutiv ist. Die beiden Leiter des Festivals, die Pianistin Diana Ketler und der Bratschist Răzvan Popovici, zeigen sowohl mit den gewählten Themenschwerpunkten, als auch mit der Repertoireauswahl einen modernen Ansatz, der einen frischen Blick auf die Kammermusik bietet: innovativ, überraschend, spannend. Ein treues, interessiertes Publikum ist der beste Beweis dafür, dass das Experiment ein gelungenes ist.
Das SoNoRo Festival läuft noch bis zum 10. November in Bukarest, dann in Hermannstadt (11.-12.11.) und Klausenburg (13.-17.11.). Details unter: www.sonoro.ro.