Eigentlich ist es eine schwere und undankbare Aufgabe, Musik oder Tanz in Worte zu fassen. Man muss es gehört oder gesehen haben, um richtig zu verstehen, was gemeint ist. Hinzu kommt, dass jede Person die Musik anders aufnimmt und den Tanz anders sieht. „Sogar der Sitzplatz im Saal spielt eine wichtige Rolle bei der Aufnahme des Geschehens auf der Bühne“, meinte der Choreograf Gigi Căciuleanu nach der jüngsten Premiere am Hermannstädter Radu-Stanca-Theater (RST). Dort wurde am Freitag, dem 13. September, die theatralische Tanzvorführung „Mozart Steps“ erstaufgeführt.
Was ist „Mozart Steps“? In erster Reihe ist es ein Stück ohne eine eindeutige Handlung. „Es ist eine Abstraktion, ein im Tanz eingefangenes Bild von Kandinsky oder Aiwasowski“, so fasste es Căciuleanu zusammen. Es ist ein perfekt chaotisches Zusammenspiel von in Musik und Tanz gefassten Andeutungen, die nicht nur den Platz für eigene Auslegung zulassen, sondern diese auch fördern. Trotz der Abstraktion, des Fehlens einer Geschichte ist und bleibt die Vorstellung interessant, fesselnd, bezaubernd. Als würde man einer Katze beim Spiel zusehen: Man versteht es nicht und ist trotzdem fasziniert.
C²ciuleanu wählte für seine Vorstellung die wahrscheinlich ungewöhnlichste Interpretation von Mozarts Werken: „Mozart l’Égyptien“ von Hughes de Courson. Der französische Komponist wagte ein Sakrileg, er mischte verschiedene Stücke Mozarts mit orientalischer Musik und dem Gesang zusammen. Entstanden ist eine unglaublich lebendige, rhythmische, zündende oder traurig-nachdenkliche Mischung aus Okzident und Orient. Etwas Ähnliches machte Căciuleanu mit den Hermannstädter Schauspielern: „Als Erstes musste ich die Schauspieler in Tanz-Akteure verwandeln“. Keiner der an der Aufführung beteiligten Darsteller ist professioneller Tänzer. Umso mehr begeistert ihre Leistung in dem für sie neuen Genre.
Mit der Aufführung von „Mozart Steps“ bekam das Hermannstädter Balletttheater einen würdigen Konkurrenten. Der Tanz am RST zeichnet sich nicht nur durch perfekt synchrone Gruppenszenen, sondern vielmehr durch die Asynchronizität aus, welche jeden Schauspieler zur Mitte seines persönlichen Raums macht. Es gibt keinen Leittänzer, jede und jeder der Beteiligten ist wichtig, „trägt wie ein Atlant das Geschehen auf der Bühne auf eigenen Schultern“, so C²ciuleanu. „Mozart Steps“ ist eben kein „Lord of the Dance“.
Die nächste Vorstellung von „Mozart Steps“ findet am morgigen Samstag statt. Es ist ein Muss, diese energiegeladene, für Auge und Ohr angenehme Aufführung zu sehen. Bedauerlicherweise werden die Zuschauer nicht mehr an der Frage-Antwort-Runde mit dem Choreografen teilhaben. Seine einstündigen Erklärungen, sein Elan und die Begeisterung für den Tanz, nicht nur als künstlerisches Genre, sondern als Lebensstil, standen der Vorstellung in Nichts nach.