Der Zoo-Palast in Berlin. Ein glamouröseres Ambiente für die Premiere der Auftaktepisode von „Spy/Master“ hätten sich die anwesenden Produzenten wohl nicht erträumen können. Auch der rumänische Hauptdarsteller der sechsteiligen Mini-Serie, Alexandru Sec²reanu, hat sich für das Spektakel eingefunden - mitsamt seiner herausgeputzten Entourage. Die Sitzverteilung wird zum festlichen Akt, aufgekratzte Vorfreude durchdringt die Luft. Nach einigen einleitenden Worten der Serienentwicklerinnen Adina S²deanu und Kirsten Peters öffnet sich der purpurne Vorhang und das Publikum wird direkt in das Bukarest der späten 70er Jahre katapultiert.Hier beginnt die Geschichte von Victor Godeanu, eines hochrangigen Offiziers der Securitate, der es bis zum Berater von Staatspräsident Nicolae Ceau{escu und Liebling seiner Ehefrau Elena gebracht hat.
In diese Position geschafft hat er es durch Bestechung der Parteieliten mit konfiszierten Luxusgütern aus dem Westen und Loyalität, inklusive Auftragsmord am engsten Mitarbeiter. Doch diese Treue ist nicht bedingungslos, Godeanu verrät Staatsgeheimnisse an die Sowjetunion. Ceaușescu bekommt Wind von einem Maulwurf in den eigenen Reihen. Er schwört, diesen zu identifizieren und eigenhändig umzubringen.Weil Godeanus Spionagetätigkeit aufzufliegen droht, wagt er bei einem diplomatischen Auslandsaufenthalt einen riskanten Schritt: Zu Verhandlungen über den Freikauf von Rumäniendeutschen nach Bonn entsandt, nimmt er die Gelegenheit wahr, sich der US-Botschaft als Überläufer anzubieten. Seine Feinde innerhalb des Securitate-Apparates sind ihm dabei stets dicht auf den Fersen.In einer minutiösen Nachbildung Rumäniens und Westdeutschlands des Jahres 1978 entspinnt sich ein undurchschaubares Katz-und-Maus-Spiel, bei dem man sich zwischen vielen Fronten wiederfindet und versuchen muss, die nebulösen Zusammenhänge zu entschlüsseln – genau wie der Protagonist.Dabei zuzuschauen, wie ihm zunehmend die Kontrolle entgleitet, entwickelt durchaus eine Sogwirkung. Dies ist erstaunlich angesichts des Umstandes, dass sich die emotionale Bandbreite des Hauptakteurs Secăreanu zunächst darauf zu beschränken scheint, eine möglichst coole Figur in diversen Retro-Monturen abzugeben.Was in den Pressemitteilungen als stoische Haltung etikettiert wird, mutet merkwürdig unbeteiligt an eingedenk der imminenten Todesgefahr, in der Godeanu und somit auch seine Familie schweben.So kommt die Frage auf, warum man mit einem Protagonisten mitfiebern sollte, den die Geschehnisse anscheinend kaltlassen. Als wäre es nicht genug, dass Godeanu in einem Feld tätig ist, in dem Tricksen, Täuschen und das Töten Unschuldiger zum Berufsbild gehören, erfährt man auch noch in dieser ersten Folge, wie er sich für die Karriere mit den Parteibonzen gemein macht, seine alkoholkranke Frau betrügt und seiner Tochter das unhinterfragte Befolgen von befehlen beizubringen versucht. Alles in allem haben es die Kinobesucher an diesem Abend also nicht gerade mit einem Sympathen zu tun. Geradezu abenteuerlich erscheint in Zeiten allgegenwärtiger politischer Korrektheit die Entscheidung der Produzenten, eine derart mit Makeln behaftete Figur ins Rennen um die Zuschauergunst zu schicken. Dies gilt umso mehr angesichts des Drucks, auch und vor allem wirtschaftlich mit diesem Kalten-Krieg-Konzept reüssieren zu müssen. Doch die kühne Entschlossenheit der Macher, mit diesem Antihelden von menschlichen Abgründen zu erzählen und dabei den Betrachtern zuzutrauen, Zwiespältigkeit auszuhalten, mutet nach der Einstiegsfolge vielversprechend an. Godeanus amoralische Haltung mag zwar nicht den Zeitgeist treffen, seinem Darsteller Alexandru Secăreanu gelingt es jedoch, der Figur ein gewisses Charisma zu verleihen und so deren befremdliche Unnahbarkeit zu relativieren. Die größtenteils unaufgeregte Erzählweise erzeugt mit klassischen Mitteln Spannung, sodass man trotz mancher schauspielerischer Totalausfälle (zu nennen ist hier vor allem das hölzerne Spiel von Svenja Jung als Stasi-Agentin Ingrid von Weizendorff) dann eben doch wissen möchte, wie der Abtrünnige sich aus der immer enger werdenden Schlinge wird befreien können. Entscheidenden Anteil an dieser unterschwellig vibrierenden Elektrizität hat die gefährliche Aura, die der rumänische Schauspielveteran Claudiu Bleonț seiner Darstellung Ceau{escus verleiht. Die rohe Tölpelhaftigkeit des „geliebten Führers“ der Sozialistischen Republik Rumänien sorgt zwar mitunter für Erheiterung, verstärkt jedoch zugleich auch auf verstörende Weise seine paranoide, immer wieder aufblitzende Gewaltbereitschaft. So stellt sich am Ende die Frage, ob es die Macher in den verbleibenden Teilen verstanden haben, die angelegten Ambivalenzen noch stärker herauszuarbeiten und mit der zu erwartenden Läuterung ihres ungewöhnlichen Helden ebenso viel (An)Spannung zu erzeugen, wie ihnen dies in der ersten Folge ihrer Hexalogie gelungen ist.Interessierte sollen die Serie noch im Mai dieses Jahres auf HBO Max zu sehen bekommen. Für den Sommer ist auch eine Ausstrahlung auf Warner TV Serie vorgesehen.