Die Kunde verbreitet sich schnell, sie macht die Runde bei seinen ehemaligen Kollegen bei der Zeitung „Neuer Weg“ und bei vielen, die ihn als Presse- und Kunstfotograf schätzten: Edmund Höfer ist tot. Er wurde Dienstag, am 19. August, tot in seiner Münchner Wohnung aufgefunden.
Dreißig Jahre lang, seit 1957 und bis zu seiner Umsiedlung nach München, hat Edmund Höfer dazu gehört, zur Redaktion der seit 1949 in Bukarest erscheinenden deutschen Tageszeitung, des Vorläufers der seit Januar 1993 bestehenden „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“.
Selbst wenn er drei Jahrzehnte seines Lebens Pressefotograf war, hat er nicht nur für den Tag fotografiert. Sein gutes Gespür für besondere Blickwinkel, ungewohnte Perspektiven, seine wache Beobachtungsgabe ließen oft aus Fotos, die nur zur Illustration von Pressebeiträgen gedacht waren, Bilder mit künstlerischem Anspruch entstehen. Und der „Neue Weg“ konnte im Laufe der Jahre durch Edmund Höfer ganze Serien wahrer Kunstfotografien veröffentlichen: Porträts, Landschaften, Städtebilder, Schnappschüsse, deren Wirkung durch die schlechte Qualität von Papier und Druck zwar geschmälert wurde, die aber ihre Ausdruckskraft doch nicht einbüßten. Günstig war, dass er die Schwarz-Weiß-Fotografie bevorzugte, von der Farbfotografie hielt er nicht so viel und auch den Blitz setzte er nur im äußersten Fall ein.
Edmund Höfer lernte sein Handwerk von einem Fotografen im Reschitzaer Hüttenwerk, dem von ihm sehr verehrten Hermann Heel, der zahlreiche kunstvolle Industriefotos hinterlassen hat. Bei ihm ging der am 27. März 1933 in Lugosch/Lugoj geborene Höfer in die Lehre. Sein Mentor lehrte ihn nicht nur, mit der Kamera umzugehen, sondern er hatte insgesamt einen großen Einfluss auf den Jugendlichen, der durch ihn die Welt der Kunst überhaupt, der Musik und der Literatur wie der Malerei und der Plastik, entdeckte. Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Schüler dieses Industriefotografen, dessen Schaffen erst spät, in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch eine Ausstellung und einen Katalog gewürdigt wurde, seinen ersten internationalen Erfolg mit der Fotografie „Der Schweißer“ errang. Es war wohl ein Thema, das in das kulturpolitische Schema jener Zeit in Rumänien hineinpasste, doch jenseits davon bewog es die Jury eines internationalen Fotowettbewerbs in Wien 1962, Edmund Höfer die Goldmedaille zu verleihen. Es war die erste Goldmedaille überhaupt, die Rumänien bei einem internationalen Wettbewerb für Fotografie errungen hat.
Es folgten ihr zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen. Edmund Höfer beteiligte sich an vielen Ausstellungen im In- und Ausland, zeigte aber auch Einzelausstellungen in Rumänien, in der Bundesrepublik Deutschland, in Polen. Von den anderen Fotografen wurde er sehr geschätzt, mit seiner hageren, hohen Gestalt, seinen etwas schlaksigen Bewegungen, den schiefen Schultern, auf denen stets die schwere Tasche mit den Utensilien baumelte, war er eine weithin bekannte Persönlichkeit in Bukarest. Theaterregisseuren, Dirigenten half es nichts, wenn sie während der Aufführung, während ihrer Arbeit nicht fotografiert werden wollten, irgendwo hinter der Bühne oder gar auf den Galerien in schwindelnder Höhe des Schnürbodens ging Mundi seiner Arbeit nach – und machte hervorragende Fotos. Er pflegte nicht die Bitte-recht-freundlich-Fotografie. Seine Porträts haben meist einen total neutralen Hintergrund, sind ganz auf den Porträtierten konzentriert. Sie entstanden während längerer Sitzungen, bei denen zu unterschiedlichen Themen gesprochen und viel geknipst wurde. Höfer war darum bemüht, etwas vom Charakter, von der lebendigen Eigenart seines Gegenübers einzufangen. Er hatte das besondere Talent, schrieb Elisabeth Axmann einmal, „sich Gesichter gefügig zu machen“. Er fotografierte zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Kulturleben, berühmte Künstler, die in Bukarest auftraten, wie Yehudi Menuhin, aber auch Menschen in ihrem Berufsleben. Mit den politischen Ereignissen musste er sich nicht befassen, denn von Parteitagen oder Arbeitsbesuchen des Landespräsidenten wurden den Redaktionen vom Zentralkomitee der Partei genehmigte Fotos zugestellt.
In der Kulturbeilage des „Neuen Wegs“ erschienen von Höfer mehrere Serien mit Porträts rumäniendeutscher Persönlichkeiten, von „Menschen im Alltag“ oder mit Banater Städtebildern. Die Serie „Siebenbürgen im Winter“, die wirkungsvolle Bilder von Städten und Dörfern mit ihren Kirchenburgen enthält, sollte mit einem Text von Joachim Wittstock auch als Buch erscheinen, doch hat der Bukarester Kriterion Verlag dieses Projekt dann nicht mehr ausgeführt.
Dem Experiment war er nicht abgeneigt. Als Edmund Höfer in Bukarest arbeitete, hatte die Fotografie noch etwas von der Alchemie, sie entstand im Laboratorium und nicht am Computer wie heute. Der Künstler unterzog die Positive seiner Porträts, der Aktfotografien verschiedener Tönungsverfahren, mit unterschiedlichen Chemikalien erreichte er farbliche Abstufungen und fließende Konturen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hob bei der 1983 in Tutzingen gezeigten Ausstellung die „alten Fototechniken mit ihren vielen reizvollen Varianten“ hervor, die er benützt, „um das moderne Schwarzweiß-Foto neu zu beleben und malerische Effekte dem Bild zu entlocken“.
In den Jahren 1985 – 1987 fotografierte er viel in der Moldau, der Bukowina und in Nordsiebenbürgen, und zwar ging er in diesen Landschaften Spuren jüdischen Lebens nach. Es entstand damals der 1988 in Wien veröffentlichte Bildband „Ojtser. Das Schtetl in der Moldau und Bukowina heute“ mit einem Text von Renata M. Erich und Fotografien von Edmund Höfer. Die Autorin schrieb gegen die Bedrohung einer im Verschwinden begriffenen Welt an, denn „unbarmherzig wütet derzeit die Spitzhacke in Rumänien“. Das Buch hat diese Welt des Judentums in Rumänien, die durch den Faschismus zum größten Teil gewaltsam zerstört wurde, dokumentiert und ihr ein einzigartiges Denkmal gesetzt. Über die kommunistische Zeit haben sich nur noch einige kleine Gemeinden mit wenigen Synagogen, in denen heute noch gebetet wird, und anderen Einrichtungen hinübergerettet. Der Fotograf schuf über das jüdische Leben ergreifende, traurig stimmende und schlichtweg schöne Bilder von einzelnen Häusern und Straßenzügen kurz vor dem Abriss, von vereinsamten Menschen, von Synagogen und vom rituellen Bad, von Friedhöfen und von den Festen, die die klein gewordenen Gemeinden feierten. Diese Fotografien wurden in Ausstellungen sowohl in München als auch in Bukarest gezeigt, zuletzt 2005 in Hermannstadt/Sibiu.
Es ist nicht die einzige Buchveröffentlichung des Fotografen. Vorher schon waren im Meridiane Verlag Bücher über Hermannstadt und Wien erschienen. Aber Edmund Höfer hat für den Kriterion Verlag auch selbst Bücher gestaltet. Für eine Generation damals junger Autoren hat er die Umschläge ihrer frühen oder gar Erstlingswerke geschaffen. Den großen Frosch auf Herta Müllers Prosaband „Niederungen“, den ins Räderwerk fallenden Tropfen auf dem Gedichtband „hotel california 2“ von Richard Wagner oder die mit einer Schlaufe zusammengebundenen Sardinen auf William Totoks „Die Vergesellschaftung der Gefühle“, das sind Bilder, die man wie die Bücher, dessen Emblem sie sind, in Erinnerung behält. Mit diesen anspruchsvollen Umschlägen wurde der Zensur etwas abgetrotzt. Aber nicht lange. Die auffallenden Bilder und Bücher hatten auch die Aufmerksamkeit der Sicherheitspolizei Securitate erweckt, die den Buchgestalter zum Verhör vorlud und ihr Missfallen an der Ästhetik dieser wenig erbaulichen Umschläge äußerte. Es entstand danach kein weiterer Umschlag für den Kriterion Verlag.
Edmund Höfer gewährte auch Einblick in seine reiche Fotosammlung, die Fotos ab 1850 enthält. Er tat es in einer Serie im „Neuen Weg“, in der er Pioniere der Fotografie und wichtige Künstler im Laufe ihrer Geschichte vorstellte, aber auch 1985 in einer umfassenden Ausstellung im Goethe-Institut, das sich damals nur Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland nennen durfte. Damit eröffnete er dem Publikum eine weitere Perspektive auf die Kunstfotografie und ihre Entwicklung.
Edmund Höfer war 30 Jahre lang Fotograf beim „Neuen Weg“. Er hat mit seiner Arbeit drei Jahrzehnte Geschichte in Rumänien mitgeschrieben. Mit seinen Bildern könnte man eine Geschichte Rumäniens von den endfünfziger bis in die achtziger Jahre, insbesondere die Geschichte der Deutschen in Rumänien, illustrieren. Auch eine – durch viele Schnappschüsse zum Teil sehr lustige – Geschichte des „Neuen Wegs“. Die Durchsicht und digitale Erfassung seiner Filme, von denen sich viele im Archiv der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“ befinden, wäre einmal eine lohnende Aufgabe.