Der aus Craiova gebürtige und in Bukarest ausgebildete Liviu Prunaru, der heute als Violinprofessor an der Internationalen Menuhin Musik-Akademie im schweizerischen Gstaad wirkt und zugleich die Stelle des Konzertmeisters im weltberühmten Amsterdamer Concertgebouw-Orchester innehat, unternahm in den Jahren 2011, 2012 und 2013 durch zahlreiche Städte Rumäniens drei umfangreiche Konzerttourneen, die allesamt unter dem Motto „Duelul viorilor“ (Das Duell der Violinen) standen.
Musikalischer Kontrahent und Gegenspieler von Liviu Prunaru, der seine Stradivari „Pachoud“ aus dem Jahre 1694 zum Klingen brachte, war damals Gabriel Croitoru, der auf der Guarneri del Gesù „Catedrala“ aus dem Jahre 1731 konzertierte, die aus dem Besitz von George Enescu stammt und die von dem großen rumänischen Violinvirtuosen und Komponisten einstmals selbst gespielt wurde. Sekundant der beiden ‚Duellanten’ war in den vergangenen drei Jahren der Pianist Horia Mihail gewesen, der den musikalischen Genuss, der den Zuhörern bei den vom rumänischen Kultursender „Radio România Cultural“ organisierten Tourneekonzerten zuteil wurde, kongenial abrundete.
Das Kammerkonzert mit Liviu Prunaru, das am 26. Februar im Bukarester Mihail-Jora-Saal stattfand, stand dagegen unter einem weniger martialischen Motto: Angekündigt war nämlich kein Violinduell, sondern ein Violinpaar („Cuplul de viori“). Bei dem konzertanten Duo im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks waren erneut zwei Violinen im Spiel, die aus der Hand der zwei berühmtesten Geigenbauerfamilien überhaupt, die damals beide in Cremona ansässig waren, stammten. Liviu Prunaru spielte auf seiner Stradivari „Pachoud“ aus dem Jahre 1694 und Valentina Svyatlovskaya konzertierte auf der Guarneri „Maria Theresia“, die von Andrea Guarneri, dem Großvater von Giuseppe Guarneri del Gesù, gefertigt worden war.
Die Tatsache, dass die beiden Violinsolisten des Bukarester Konzertabends im wirklichen Leben ein Paar sind, mag gewiss dazu beigetragen haben, dass das Motto des Duells in die Maxime eines Duetts umgewidmet wurde. Vielleicht war aber auch das Faktum entscheidend, dass es sich bei den beiden Violinvirtuosen nicht um zwei Männer, sondern um Mann und Frau handelte. Möglicherweise führte auch das Kammerorchester des Rumänischen Rundfunks mit seinen über zwanzig Streichern die Idee eines Sekundanten ad absurdum. Wie dem auch sei – das Violinpaar Stradivari-Guarneri und das Violinistenpaar Prunaru-Svyatlovskaya wartete im nahezu vollbesetzten Bukarester Mihail-Jora-Saal mit einem Konzertprogramm der Extraklasse und mit exquisitem musikalischen Können auf, das die Zuhörer zu Begeisterungsstürmen hinriss.
Den Auftakt des Programms bildete das Concerto grosso in g-Moll op. 3 Nr. 10 von Francesco Manfredini, einem italienischen Barockkomponisten, der selbst als Violinvirtuose hervortrat und seine im Jahre 1718 entstandenen 12 Concerti op. 3 dem Grimaldi-Fürsten Antonio I. von Monaco widmete. Den beiden Solisten gelang es, auf ihren Violinen wunderbar weiche Barockklänge zu erzeugen und die rasanten Läufe, die zum Teil zeitlich versetzt, zum Teil unisono von den Saiten ihrer Violinen perlten, wie ein luftig-schwereloses Glasperlenspiel erscheinen zu lassen. Das Rundfunkkammerorchester begleitete den Einklang der beiden Soloviolinen (und des hinzugezogenen Solocellos als Basso continuo) mit großer Einfühlsamkeit und schönen Piano-Effekten.
Das zweite Stück des Konzertabends, bei dem Liviu Prunaru und Valentina Svyatlovskaya wiederum gemeinsam als Violinduo auftraten, stammte von dem belgischen Geiger und Komponisten Eugène Ysaÿe. Sein Poem für zwei Violinen und Orchester op. 26 mit dem Titel „Amitié“ (Freundschaft) wurde in einer Fassung für Streichorchester von Dan Dediu dargeboten, und zwar mit Tiberiu Soare am Dirigentenpult, der gastweise und nur für dieses eine Stück Liviu Prunaru von seiner Doppelrolle als Solist und Dirigent befreite, wofür ihm Liviu Prunaru anschließend ausdrücklich in einer kurzen Ansprache dankte. Auch in diesem impressionistischen Werk harmonierten die zwei Violinen wieder auf wunderbare Weise, und ihre warmen Töne in den hohen Lagen der G-Saiten wie ihre con sordino gedämpften Melodien breiteten einen wohligen Schleier über das Gewoge der Klänge.
Das dritte der dargebotenen Werke, zugleich das letzte vor der Pause, war Henryk Wieniawskis Bravourstück „Souvenir de Moscou“ (Erinnerung an Moskau) op. 6, das dem Solisten Liviu Prunaru die Gelegenheit gab, seine eminente Virtuosität unter Beweis zu stellen, insbesondere in den Passagen, deren Reiz sich im schnellen Wechsel zwischen Ober- und Grundtönen, zwischen Flageolett- und Volltönen offenbarte.
Nach der Pause war dann Valentina Svyatlovskaya mit Pablo de Sarasates „Zigeunerweisen“ op. 20 zu hören. Die junge Geigerin, die am Sankt Petersburger Konservatorium studiert, an der Menuhin-Akademie in Gstaad ihr violinistisches Können vervollkommnet hatte und nun Mitglied des renommierten Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters ist, bot das 1878 entstandene einsätzige Werk des spanischen Komponisten mit klanglicher Kraft und luftiger Verve dar. Sie überzeugte musikalisch voll und ganz, sowohl in den majestätisch-volltönenden Passagen des Moderato-Eingangs, wie auch in den technisch anspruchsvollen Passagen der Mittelteile und besonders im Schlussteil Allegro molto vivace mit seinen Spiccati, seinen Doppelgriffen und seinen linkshändigen Pizzicati. Das Publikum ließ sich von der Violinkunst Valentina Svyatlovskayas, die vom Radiokammerorchester unter der Leitung von Liviu Prunaru aufmerksam begleitet wurde, begeistern und zu langem Applaus hinreißen.
Den Abschluss des Konzertabends bildetet dann das Streichoktett B-Dur ohne Opuszahl von Max Bruch, das im Todesjahr des Komponisten 1920 erschienen war, und zwar in einer Fassung für 21 Streicher (6 erste Violinen, 6 zweite Violinen, 4 Bratschen, 3 Celli und 2 Kontrabässe), unter die sich auch das Violinduo Prunaru-Svyatlovskaya mischte. Das Bruchsche Oktett, das den berühmten Streichoktetten von Mendelssohn, Enescu oder Schostakowitsch durchaus gleichzustellen ist, wurde vom Kammerorchester des Rumänischen Rundfunks mit großem Engagement und differenzierter Tongebung dargeboten und rundete das abwechslungsreiche Programm harmonisch ab.
Als Zugabe wurde schließlich Pablo de Sarasates „Navarra“ op. 33 zu Gehör gebracht, ein Konzertstück für zwei Violinen und Orchester, das mit spanischen Tanzmelodien den beschwingten Ausgang eines außergewöhnlichen Konzertes und den künstlerischen Triumph eines außergewöhnlichen Solistenpaares begleitete.