Neben den großen Sinfoniekonzerten am Donnerstag und Freitag gehen sie meist viel zu leicht unter, die Solo- und Kammermusikkonzerte, die in der Mitte und am Ende der Woche regelmäßig im Athenäum in Bukarest stattfinden. Eines dieser eher unscheinbaren Konzerte mit überschaubarer Besucherzahl gestaltete die Siebenbürgerin Ilse Maria Reich allein an der Orgel.
Was sich in dem Programmheft so banal anhörte, wie „Präludium und Fuge“, „Choral“ oder „Consonances“, entpuppte sich als Entdeckungsfahrt durch die Klanglandschaft der Oscar-Walcker-Orgel im Athäneum. Der Orgelklang mal ganz ohne überladene Kirchenakustik oder unterstützendes Orchester wirkte sehr erfrischend, ebenso wie das Beobachten des Spiels der Organistin. Es erinnerte fast an Hochleistungssport, wie Reich die dreistimmigen Fugen von Bach auf zwei Hände und die Füße verteilt mit endlosen Läufen und in einem hohen Tempo spielte. Doch im Gegensatz zu den schnellen Bewegungsabläufen erklang die Musik mit einer außergewöhnlichen Ruhe, Sicherheit und Präzision aus der Orgel, welche durch ihren gedämpften und reinen Klang die Feinheit des Spiels unterstrich und jedes Detail der Interpretation zu Ohren kommen ließ. Diese Perfektion und hohe Konzentration, die die Spielerin selbst bei virtuosen Passagen der Kompositionen von Bach aufwies, vermittelte eine Sicherheit, durch die sich der Genuss der Musik Bachs erst voll entfalten kann und in den man nur selten kommt.
Noch vor der Pause folgte ein Choral von César Franck, der durch die Benutzung vieler unterschiedlicher Orgelregister die Melodie ständig im neuen Gewand erscheinen ließ: von pianissimo zu forte, von hell und klar bis zu dunkel und gedämpft, von obertonarmem zu obertonreichem Klang.
Sehr eindrucksvoll waren auch die letzten zwei Werke des Abends. Sie wurden nicht nur beide Ilse Maria Reich gewidmet, sondern auch von ihr schon in den Achtzigern auf derselben Orgel uraufgeführt. Die „Schäferpavane mit Vogelrufen“ von Myriam Marbe enthob der Orgel ihren kirchenmusikalischen Kontext und stellte das Instrument in einem ganz neuen Licht dar. In ihrer Komposition benutzte Marbe bisher unbekannte Klangeffekte der Orgel, die von einer profunden Kenntnis des Instruments sprachen. Dabei wurde die Orgel zum Geschichtenerzähler, durch ihre klangmalerischen Effekte nahm sie einen mit auf eine Reise und deutlich wahrnehmbar – die Vogelrufe.
Ganz anders und ganz ähnlich erschien Liana Alexandras Orgelkomposition. „Consonances V“ war geprägt von statischen Klangmassen, die immer wieder von dezenteren Läufen abgewechselt wurden. Das Stück baute eine eigentümliche Spannung auf, die sich ungewöhnlicherweise in Dissonanzen auflöste. Auch hier konnte man die kirchenmusikalische Tradition des Instruments nicht mehr erahnen. Ilse Maria Reich, die im Gegensatz zu ihrem ausdrucksvollen und lebendigen Spiel eher bescheiden und schlicht den Applaus in Empfang nahm, spielte als Zugabe zur Freude des Publikums zwei Choräle von Bach.