Die Aufführung des Deutschen Requiems Op. 45 von Johannes Brahms in der Schwarzen Kirche in Kronstadt/Braşov hatte beachtliche „Konkurrenz“ am orthodoxen Pfingstwochenende: Viele parallel verlaufenden Musikveranstaltungen in der Stadt sowie der freie Pfingstmontag hatten zum Ergebnis, dass die Plätze nur zur Hälfte besetzt waren. Nichtsdestotrotz war der Abend für die Anwesenden ein Genuss für Ohren und Seele – allerdings etwas ungleich in der Qualität der Darbietung.
Brahms’ Musik, mit der er im Alter von nur 33 Jahren den Durchbruch in die Welt der großen klassischen Meisterwerke schaffte, ist nicht für eine traditionelle Totenmesse geschrieben und stellt nicht die Erinnerung an die Verstorbenen, sondern den Trost der Hinterbliebenen in den Mittelpunkt. „Ein deutsches Requiem“ ist alles andere als konventionell: Es passt nicht in die kirchenmusikalische Gattung des Requiems, übernimmt aber deren Namen; Christus kommt in der biblischen Textauswahl nicht vor; die Sprache ist nicht Latein, sondern Deutsch; jede dogmatische Konvention fehlt – und trotzdem, oder gerade deshalb, schrieb der Kritiker Eduard Hanslick nach der Uraufführung, dass seit Bachs „h-Moll-Messe“ und Beethovens „Missa solemnis“ nichts komponiert wurde, „was auf diesem Gebiete sich neben Brahms’ deutsches Requiem zu stellen vermag“.
Mit dem Trost derer, „die da Leid tragen“, beginnt das Werk, das in Kronstadt von einer internationalen Besetzung dargeboten wurde: Die Aufführenden waren das Sinfonieorchester der Kronstädter Philharmonie, der Chor der Wiener Tonkunstvereinigung und der Kirchenchor aus Groß-Enzersdorf, Österreich, sowie Solisten aus Japan und Argentinien unter der Stabführung des argentinischen Dirigenten Pablo Boggiano.
Ausdrucksstark und rund gelangen die monumentalen Abschnitte des Requiems – allen voran der zweite Satz, der Trauermarsch „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“, der den Raum der Schwarzen Kirche erfüllte und erschütterte. Ihm gegenübergestellt der Vers „Aber des Herren Wort bleibet in Ewigkeit“ als Symbol der Hoffnung und des Bleibenden. Etwas unruhig und dadurch nicht sauber genug war die Fuge „Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand“ zum Schluss des dritten Satzes – vielleicht auch weil die Tempoangabe „Andante“ an die obere Grenze verschoben wurde. Dafür war der Übergang zum vierten Satz und zur Textzeile „Wie lieblich sind Deine Wohnungen, Herr Zebaoth“ durchdrungen von Ruhe und Licht – und in einem sehr sanften, warmen „piano“, das vielleicht auch an anderen Stellen angebracht gewesen wäre.
Die sonore und strahlende Stimme des Baritons Jorge Nazrala Favier verlieh den Worten „Herr, lehre doch mich“ dunkle Farbtöne, während die Sopranistin Ayako Tanaka hell und tröstend die Zuversicht wiedergab, die in dem Vers „Ihr habt nun Traurigkeit, aber ich will euch wiedersehen“ konzentriert ist. Expressive Vielfalt – von dramatisch bis feierlich – und auch sehr gelungene Orchesterkommentare rundeten den sechsten Satz mit seiner Botschaft der Verwandlung und Auferstehung ab.
Clara Schumann hatte das Requiem ihres Freundes mit folgenden Worten beschrieben: „Es ist ein ganz gewaltiges Stück, ergreift den ganzen Menschen in einer Weise wie wenig anderes. Der tiefe Ernst, vereint mit allem Zauber der Poesie, wirkt wunderbar, erschütternd und besänftigend.“ Wer sich davon überzeugen möchte, hat diesen Sommer in der Schwarzen Kirche noch einmal die Gelegenheit. „Ein deutsches Requiem“ wird auch am 26. Juli um 18 Uhr von einem Projekt-Ensemble aus Klausenburg/Cluj aufgeführt.