Tagebücher, die die Atmosphäre der Zwischenkriegszeit in Rumänien wiederbeleben, hat Elena Claudia Anca in einer Doktorarbeit analysiert und zu einem Buch verarbeitet, das am Dienstag im Französischen Institut in Temeswar vorgestellt wurde: „Incursiuni în femininul interbelic“ (Streifzüge durch die Damenwelt der Zwischenkriegszeit) ist im Klausenburger Verlag Ecou transilvan erschienen.
Die Philologin, die die West-Universität Temeswar absolviert hat, untersuchte die Tagebücher von Frauen, die in der äußerst bewegten Zeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf kultureller wie auch auf politischer Ebene Zeichen gesetzt haben: Viele von ihnen standen starken Männern zur Seite und/oder stammten aus adeligen Familien. Viele von ihnen haben beide Weltkriege erlebt, viele auch die Repressalien des kommunistischen Regimes, das sich zum Ziel gesetzt hatte, die Erinnerung an die Welt zu beschmutzen, die diese Frauen repräsentieren.
Die Autorin bearbeitet die Tagebücher der Frauen zu einer Zusammenstellung von Biografien: die Frauenschicksale, stark von den Umwälzungen der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts geprägt, bieten mehrere Gemeinsamkeiten, woraus sich auch einige Kapitel des Buches ergeben: das Erleben des Ersten Weltkrieges, der Dialog mit Gott, die Liebeserlebnisse und die Beziehungen der Frauen zu ihren meist im öffentlichen Leben stark engagierten Männern sowie auch die Rückzugsplätze für die meist in Bukarest wohnenden Damen aus der hohen Gesellschaft. Mit diesen Rückzugsplätzen entsteht ein besonders schönes Kapitel über Mogoşoaia, Tescani und Baltschik/Balcic. „Die Tagebücher waren den Frauen eine Art Beichtvater, stellten einen Rückzug in das Schreiben dar, das ihnen Stärke und Mut in einer zusammenfallenden Welt, manchmal auch in eigenen turbulenten Schicksalen, versprach. Als solche waren die Tagebücher nicht für ein breites Publikum gedacht, sondern dienten dem privaten Gebrauch“, so umriss die Universitätsdozentin Smaranda Vultur, die das Buch dem Publikum vorstellte, den Gegenstand des Buches.
Neben den klangvollen Namen, die der Leser erwartet hat, so zum Beispiel der der Königin Maria oder der Prinzessin Martha Bibescu, tauchen auch in Vergessenheit geratene Frauen auf, deren Schicksale und Notizen eine Welt und deren Mechanismen beleuchten, die immer wieder Neues und Interessantes für die Gegenwart bieten. So erscheint zum Beispiel der Name von Pia Alimăneştianu aus der Brătianu-Familie, deren Tagebuch aus den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs einen Einblick in das Bukarest dieser Periode gewährt. Es erscheint auch der Name von Simona Lahovary, „Simky“, der Tochter des Ministers Alexandru Lahovary, die dreißig Jahre lang Hofdame und die engste Vertraute der Königin Maria war. Ihre Tagebücher sind in den Augen von Elena Claudia Anca wohl deshalb am wertvollsten, da sie die verschollen geglaubten Bücher in der Nationalbibliothek in Bukarest entdeckt hat. Um an die verschiedensten Tagebücher heranzukommen, hat Elena Claudia Anca eigenen Aussagen zufolge viele Stunden in der Bibliothek der Klausenburger Babeş-Bolyai-Universität verbracht, aber zum Beispiel auch an Online-Versteigerungen teilgenommen, „denn ich wünschte mehr als nur eine Kopie davon zu haben“.
„Nichts von dem feministischen Diskurs ist aus Elena Claudia Ancas Buch herauszuhören, aber die Stärke der vorgestellten Frauen kommt zum Vorschein. Es geht um ihre Normen, ihre Erziehung, ihren Glauben und jedes Mal um die Beziehung zum Ehemann, zur Familie. Es ist eine literarische wie auch eine literarisch-anthropologische Analyse“, schlussfolgerte Smaranda Vultur.