Die letzten drei Konzerte des Monats April im Rahmen der 39. Ausgabe des Festivals „Musikalisches Temeswar“ hatten jedes für sich etwas Besonderes: das Klavierkonzert, das wöchentliche sinfonische Konzert oder das Kammerkonzert. Aber sie hatten mindestens zwei Gemeinsamsamkeiten: die innere Jugend der Musiker und den offensichtlichen Wunsch der Auftretenden, im Rahmen ihrer Interpretationen alles zu geben - völlige Hingabe.
Die Eheleute Adriana und Sorin Dogaru sind schon seit Längerem unter Kennern als Pianisten geschätzt. Sie treten relativ häufig (aber nicht ausschließlich) in Konzerten in Westrumänien – vorrangig in Temeswar und Arad – auf, sie haben sich aber auch als Musikerzieher einen sehr guten Namen gemacht. Und als Erzieher durch die Musik, indem sie konsequent einheimische (und damit verstehe ich: westrumänische) Musiker und Komponisten fördern, die Stücke für eines oder zwei Instrumente schreiben. Es ist etwas Außergewöhnliches, wenn man, wie bei ihrem jüngsten Klavierkonzert, nahezu ausschließlich Stücke zu hören bekam, die Erstaufführungen vor dem Konzertpublikum waren und ausschließlich von Gegenwartskomponisten stammten.
Dazu kommt, dass die Interpretation der Stücke auf höchstem Anspruchsniveau geschah. Zu hören waren mehrere Stücke von Teodor Caciora (vier Miniaturen und drei Inventionen), die jedem zu empfehlen sind, der den Weg des Hochleistungs-Klavierspielens einschlägt, sowie des aus Lugosch gebürtigen Friedrich-Karl Wanek, der schon vor längerer Zeit nach Deutschland ausgewandert ist (und dort 1991 verstarb) und 1988 bei Schotts Söhne Notturni e Capricci veröffentlichte. Zu diesem kam die bekannte Suite Nr. II von Remus Georgescu aus den 1960er Jahren. Von den jüngsten unter den Komponisten wurde die lebendig kolorierte SonaTanoS von Horia Şurianu interpretiert, womit die beiden Pianisten uns in die Welt dieser Komponistengeneration entführten, mit Crepuscul und Nimesis, letzteres von anziehender harmonischer Faktur. Von den Stücken für zwei Klaviere fiel mir Gabriel Almasis Tango angenehm auf, der auf einem prägnanten rhythmischen Gerüst aufgebaut ist, während die beiden Interpreten zu Recht aus Gabriel Mălăncious „Für Terpsichore“ das wohl gelungendste Stück dieses Abschnitts machten, mit dem sie hinübergleiteten zum europaweit wohl bekanntesten Komponisten, der aus dem Banat stammt, dem ebenfalls in Lugosch geborenen und in Paris lebenden György Kurtag, dessen Tänze/Jocuri im Programm standen, eine Sukzession kürzester Stücke, die zum Markenzeichen des Komponisten geworden sind und Impressionen wie Augenblicke in Tönen festhalten. Es war ein Klavierkonzert, das es vollauf verdienen würde, in vielen Städten dieses Landes gehört zu werden, ein Zeugnis der hohen Qualität, mit der im Banat komponiert und Musik gepflegt wird. Ich wünschte mir, dass ein guter Musikverlag dieses Konzert aufnehmen würde.
Das wöchentliche sinfonische Konzert der „Banatul“-Philharmonie stellte zwei Protagonisten der jüngeren Generation in den Vordergrund, den Pianisten Ştefan Doniga (bekannt auch für seine Managementaktivitäten) und den Dirigenten Tiberiu Soare, der sich bereits als Dirigent von Opernochestern und des Orchesters des Bukarester Radios und Fernsehens hervorgetan hat – beide Produkte der Bukarester Musikhochschule. Ihr Programm umfasste, neben der bekannten II. Sinfonie von Brahms ein bei uns nahezu unbekanntes konzertantes Opus, das wir einem ukrainischen Komponisten verdanken, dem Charkiver Sergej Eduardowitsch Bortkiewicz, der in Sankt Petersburg (bei Anatol Lijadow) studiert hat und dem es vor allem die Wiener Schule als Leitbild angetan hat. Sein Oevre umfasst mehrere Konzerte und eine Sinfonie, die noch zu seinen Lebzeiten aufgeführt wurde. Daraus wählte [tefan Doniga eine bewundernswerte interpretative Variante des Konzerts Nr. 3 in c-Moll, Op.32, die unlängst vom Niederländischen Musikalischen Institut aufgenommen wurde und jetzt auf CD existiert. Doniga und Soare betitelten ihr Freitagskonzert „Per aspera ad astra“ und stellten ein fünfteiliges, inhaltlich wohldurchdachtes Programm zusammen, das Tschaikowsky ebenso enthielt wie Rachmaninow und den Geist der russischen Folklore, den vor allem ihre interpretative Note hervorstrich.
Dazu passte hervorragend die hellleuchtende Zweite Sinfonie in D-Dur von Johannes Brahms, locker und ausgeglichen dirigiert von Tiberiu Soare, der den inneren Puls und Elan des Stücks hervorstrich. Vielleicht hätte der Interpretation aber noch mehr Leichtigkeit und Entspannung, mehr Ungebundenheit ans Notenpapier gutgetan, so wie in den beiden letzten Teilen, wo einer überschäumenden Fantasie freien Lauf gelassen wird.
Das Kammermusikkonzert, das die Konzertperiode vor der fünftägign 1. Mai-Pause abschloss, war ausschließlich dem Franzosen Olivier Messiaen gewidmet. Das ATEM-Quartett (Cristina Constantin – Violine, Cosmin Hâr]oian – Klarinette, Alexandra Gu]u – Violoncello und Victor Andrei Părău – Klavier) beeindruckte durch die Seriosität und hohe Professionalität der Interpretation der acht Teile des 1941 erstaufgeführten Quatuor pour la fin du Temps dieses berühmten Komponisten, eine spirituelle, immaterielle Musik, die scheinbar unter dem Einfluss der Apokalypse aus Sicht des Glaubens komponiert wurde. Dabei konnte jeder Instrumentist seine Virtuosität ausspielen und die interpretative Seite des Instruments sowie die eigene Fähigkeit zur Verinnerlichung des musikalischen Ausdrucks voll zur Geltung bringen.