Manchmal fügen sich die Dinge auf eine fast unheimliche Weise, als hätte die Vorsehung selbst bei Kleinigkeiten ihre Hand im Spiel. Während der Autor dieser Zeilen am letzten Freitag mit dem Verleger Jens Kielhorn über das so unerwartete Ableben des gemeinsamen Freundes und Partners in der Welt des gedruckten Buches, Anselm Roth, ihre erste Trauer in einem Telefongespräch teilen, klingelt die Post und bringt mir ein Paket des Schiller Verlags mit dem neuen Kirchenburgen-Bildband „Über Siebenbürgen“ von Anselm Roth und Ovidiu Sopa. Eine berührende Koinzidenz, ja ein „Letzter Gruß“ des Freundes aus Siebenbürgen.
Umso mehr wollen wir diesen Band nun würdigen, der die Kirchenburgen im mittleren Kokelland mit Birthälm darstellt. Um es gleich vorwegzunehmen: dieser achte Teil der Serie wird nun zum Vermächtnis von Anselm Roth, ein letzter Gruß an alle seine Freunde und die Freunde Siebenbürgens und der Kirchenburgen. Und das nicht nur, weil mit dem früheren Bischofssitz Birthälm die wohl kirchenhistorisch bedeutendste Kirchenburg enthalten ist, sondern weil dieser Band nach Druckqualität, Bildauswahl und Bildschnitten eine echte Meisterleistung darstellt. Das Album lebt von satten, kräftigen, lebendigen Farben, elegant präsentierten Motiven, impressiven Bildern mit starken Aussagen, dazu den gewohnt konzentrierten wie instruktiven Texten von Anselm Roth. Wobei Birthälm gebührend mit einem ausführlicheren Text präsentiert wird.
17 Kirchenburgen und Orte werden dieses Mal dokumentiert: Mardisch/Moardăș, Martinsdorf/Metiș, Almen/Alma Vii, Meschen/Moșna, Niemesch/Nemșa, Busd/Buzd, Pretai/Brateiu, Tobsdorf/Dupuș, Hetzeldorf/Ațel, Scharosch an der Kokel/Șaroș pe Târnave, Birthälm/Biertan, Reichesdorf/Richiș, Reußdorf/Cund, Irmesch/Ormeniș, Bogeschdorf/Băgaciu, Kiertsch/Curciu und Durles/Dârlos. Nirgendwo sonst in Siebenbürgen stehen die Kirchenburgen so dicht an dicht wie zwischen Mediasch und Schäßburg. Von den zwei dafür vorgesehenen Bänden zur Präsentation dieser Kleinode liegt hiermit der erste vor.
Einen sympathischen und sehr persönlichen Einblick in die „Werkstatt“ bietet das Vorwort, sind doch hier Bilder mit Kindern zu sehen, die Anselm Roth und Ovidiu Sopa bei ihren Arbeiten in Dörfern über die Schulter schauen und die den Dobermann Roths genauso wie die am Laptop Sopas „live“ zu sehenden Luftbilder der Drohne gleichermaßen bewundern.
Auch dieser Band bleibt der Philosophie der letzten Bände treu, neben den aussagekräftigen und eindrucksvollen Luftbildern von Ovidiu Sopa auch wieder etliche Innenbilder der Kirchenräume zu bieten. So bleibt der Band nicht bei der überaus eindrucksvollen äußerlichen Ästhetik von Bau, Ortsbild und umgebender Landschaft stehen, sondern porträtiert die hier von oben dokumentierten Kirchenbauten auch als Stätten der Gemeinschaft und des Gottesdienstes. Und das jeweils unabhängig davon, ob es dort noch Gottesdienste und Gemeinden gibt oder nicht. So erweist sich auch dieser Band der Reihe als ein Opus der Erinnerung und Vergegenwärtigung der großen siebenbürgisch-sächsischen Kultur-, Kirchen- und Siedlungsgeschichte gegen das Vergessen. In dieser Hinsicht hat die Buchreihe „Über Siebenbürgen“ ohnehin schon längst Kultstatus erlangt.
Imposante, große, gewaltige und wehrhafte Bauten und Anlagen erwarten den Leser, etwa in Mardisch, Almen oder Meschen und natürlich im alles überragenden Birthälm. Daneben aber auch traurige Impressionen weniger prominenter Kirchenburgen wie Irmesch oder Reußdorf, denen es nicht gut geht und wo der Zahn der Zeit spürbar nagt, äußerlich wie im Inneren. Der Ausdruck einstiger kultureller Größe und Bedeutung treffen hier wieder auf das Statement der Prägung des Ortsbildes bis heute selbst durch manche Kirchenburg im Verfall.
Auch die Details sind wieder höchst überlegt ausgewählt. Wenn etwa das beeindruckende Kirchenportal von Hetzeldorf zu sehen ist (S. 55) oder auch etliche kunstvolle Altäre und Kanzeln wie etwa von Busd (S. 36), Reichesdorf (S. 71) oder Bogeschdorf (S. 88). Manchmal wird das Bemühen um Erhalt und Sicherung der Anlagen erkennbar wie etwa bei dem frisch gedeckten Dach der Kirche von Kirtsch (S. 94 f.), auch wenn das Kircheninnere eher baufällig wirkt. Selbst kleinere Kirchen wie Tobsdorf locken mit einer bunten Emporenbemalung und einem schmucken Orgelprospekt (S. 49). Dazu sind neben Birthälm noch weitere wahre Meisterwerke der Baukunst und majestätische Innenräume wie etwa in Meschen (S. 26) zu bewundern.
Wer all diese im Druck perfekt wiedergegebenen Luft- und Innenbilder betrachtet, der hat sofort den ganz spezifischen reifen Wohlgeruch dieser Landschaft und Bauten im Gefühl und ist verlockt, sich sofort auf den Weg zur Erkundung zu machen. Die Bilder changieren einmal mehr zwischen „Lost Places“ und dem Werben um künftige Beachtung. Nach Inhalt und Druckqualität stellt dieser Band zweifellos das krönende Vermächtnis einer Meisterleistung dar. Mit ihrem achten Band von „Über Siebenbürgen“ setzen Anselm Roth und Ovidiu Sopa ein Ausrufezeichen unter eine echte Ausnahmeedition. Anselm Roth hat sich damit selbst ein Denkmal gesetzt. Inwieweit posthum seine Initiative dieser Reihe fortgesetzt werden kann, wird verlagsseitig noch zu klären sein.