Dieser Band Prof. Dr. Stefan Sienerths, des ehemaligen Direktors des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e.V. an der LMU München, fasst seine langjährige, empirisch fundierte, kenntnisreiche und gründliche wissenschaftliche Beschäftigung mit wichtigen rumäniendeutschen Schriftstellern und Geisteswissenschaftlern und den auf diese gerichteten Umtrieben der Securitate zusammen. Die Ausführungen sind mustergültig in ihrer durchgängig konsequenten Verbindung von wissenschaftlicher Sachlichkeit mit trefflichen, intellektuell scharfsinnigen Analysen, die in ihren Bewertungen zumeist recht zurückhaltend erscheinen und die dargelegten Fakten sprechen lassen, aber gerade deshalb umso wirkungsvoller und überzeugender erscheinen.
Der umfangreiche Band gliedert sich neben der Einführung (S. 9-19), die eine informative und spannende Vorschau auf die weiteren Ausführungen vermittelt, in vier Hauptteile. Der erste Teil, „Oskar Pastior – sein Kreis und seine Generation“ (S. 23-244) wird mit einer vortrefflichen Analyse zu Oskar Pastior: „Ich habe Angst vor unerfundenen Geschichten. Oskar Pastiors Verfolgung und Verstrickung“ eröffnet, die die Eck- und Wendepunkte seines Lebenswegs, die Bedrängungen und Ängste, Anpassungen und Widerstände, Entscheidungen, Verstrickungen und Irrtümer dieses besonderen Dichters und einzigartigen Menschen materialnah, exakt, umsichtig abwägend und zugleich von allen Entschuldigungen oder Verurteilungen absehend, nachzeichnet und erhellt. Das bisher bekannte Gesamtbild über die Umstände der Anwerbung und die eher unauffällige und wohl kaum oder nur in wenigen Einzelfällen andere signifikant belastende Tätigkeit Oskar Pastiors als Informeller Mitarbeiter (IM) „Otto Stein“ der Securitate wird dabei schärfer konturiert und durch viele Details ergänzt, in der Tendenz aber doch weitgehend bestätigt. Gleichzeitig liefert dieser Beitrag, wie einige andere, eine höchst aufschlussreiche Darstellung der Arbeitsweise der Securitate, ihrer operativen Zielsetzungen und Methoden, ihrer diversen Aktionsfelder, ihres stereotypen Stils und ihrer nicht selten auch internen Abstimmungsprobleme. Darüber hinaus werden sehr interessante Einblicke in literarische und intellektuelle persönliche Netzwerke und Diskussionen der 1950er und 1960er Jahre in der rumäniendeutschen Literatur vermittelt.
Der damalige Personenkreis um Oskar Pastior, insbesondere von literaturinteressierten Studenten - Richard Adleff, Georg Hoprich, Dieter Fuhrmann, Dieter Schlesak, Ingmar Brantsch, Dieter Roth u.a. - der Germanistik an der Bu-karester Universität, aber auch die Beziehungen zu älteren deutschen und jüdischen Schriftstellern - Oscar Walter Cisek, Alfred Margul-Sperber u.a. - wird in dem kürzeren Kapitel „Be-obachtet und bedrängt. Der Kreis um Oskar Pastior in Bukarest“ behandelt. Hier-bei werden einzelne Beziehungsmuster, Interessen, Haltungen, Vorsichtsmaßnahmen und Ängste wie auch Beobachtungen und Anwerbungsversuche durch die Securitate umrissen. Als kulturpolitischer Hintergrund wird die „kleine Tauwetterperiode“ nach dem Tod Stalins bis zur erneut zunehmenden Repression nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes 1956 eingeblendet.
Eine weitere eindrucksvolle Ergänzung zu diesen beiden Beiträgen bildet das dazwischen liegende Kapitel „Die Wirrnis wurde Lebenslauf. Georg Hoprich im Spannungsfeld zwischen Bespitzelung, Verhaftung und Selbstmord“, das auf diesen „dichterisch begabtesten und in seinen antikommunistischen Ansichten auch verwegensten und konsequentesten unter ihnen“ (S. 81) eingeht. Dessen am Anfang des Beitrags aus einem Brief an seine Braut Ende des Jahres 1960 zitierten Zukunftshoffnungen wurden vom rumänischen Sicherheits- und Repressionsapparat, so wird aufgezeigt, brutal zerschlagen und brachten ihn alsbald ins Gefängnis. Der Beitrag zeichnet in erschütternder Weise nach, wie dieser sensible junge Mensch und hochbegabte Dichter durch die Hinterhältigkeit, Gewaltsamkeit und Skrupellosigkeit des rumänischen Geheimdienstes und seiner Zuträger bespitzelt, denunziert, verhaftet und letztlich auch in den Selbstmord getrieben wurde. In diesem wie in anderen Beiträgen gelingt es Sienerth, zeithistorische Gegebenheiten und Veränderungen stets passend einzubeziehen.
Der folgende Beitrag „Paul Schuster, Moses Rosenkranz und ihre Denunzianten“ konzentriert sich auf den bekannten rumäniendeutschen Schriftsteller und zumindest zeitweilig einflussreichen Kulturfunktionär Paul Schuster, den zunächst dessen Beziehungen zu dem aus der Bukowina stammenden jüdischen Schriftsteller Moses Rosenkranz, der nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion verschleppt und später in Rumänien weiter politisch verfolgt wurde, ehe er Anfang der 1960er Jahre in den Westen ausreisen konnte, in die genauere Beobachtung durch die Securitate brachte. Diese hat Paul Schuster, der ein bekennender nichtdogmatischer Kommunist, leidenschaftlicher Intellektueller wie auch ein nicht ganz einfacher Mensch war, in der Folgezeit immer wieder intensiver beobachtet und bespitzeln lassen, wobei der Fall exemplarisch zeigt, dass auch und gerade einflussreiche und als „fortschrittlich“ geltende rumäniendeutsche Schriftsteller und Funktionsträger keineswegs vor dem Misstrauen und den verschiedenen Maßnahmen des rumänischen Geheimdienstes geschützt waren, und ebenso, wie erschreckend viele Informelle Mitarbeiter und Zuträger die Securitate auch im Kreis deutscher Geistesschaffender und Intellektueller hatte, deren Netzwerke und Wirken vielfach bis in den Westen und nicht zuletzt in die Bundesrepu-blik Deutschland reichten.
Einen anderen Zuschnitt hat der letzte Beitrag des ersten Teils des Buches „Zielstrebig, leidenschaftlich, übereifrig. Zur Agententätigkeit des Literaturhistorikers Heinz St²nescu“, der einen der berüchtigtsten und schlimmsten Täter in den Mittelpunkt der Untersuchungen stellt. Biographisch interessant erscheint nicht nur dessen großbürgerlich-jüdische Herkunft und Verfolgung während der Kriegszeit, sondern auch, dass er aufgrund einer homosexuellen Affäre Anfang der 1950er Jahre, vor dem Hintergrund der damaligen Machtkämpfe Gheorghe Gheorghiu Dejs gegen die „Moskowiter“ Gruppe um Ana Pauker, im Rang eines Majors der Securitate aus deren Dienst entfernt wurde und für ein Jahr in ein Arbeitslager kam, wo auch seine Verpflichtung als Informeller Mitarbeiter der Securitate erfolgte. Anhand dieses Fallbeispiels des ehemaligen Securitateoffiziers und späteren Hochschuldozenten, der der Securitate langjährig unter den konspirativen Namen „Silviu“, „Traian“ und anfangs „Abrud“ berichtete, wird nicht nur deutlich, wie gehässig, skrupellos und folgenreich solche boshaften denunziatorischen Zuarbeiten für einzelne betroffene Opfer aus der älteren Generation (z.B. Erwin Wittstock, Harald Krasser, Hans und Erich Bergel) wie auch der jüngeren (Georg Hoprich, Oskar Pastior, Richard Adleff u.a.) waren, sondern auch, wie dessen wissenschaftliche Tätigkeit durch ideologisch-dogmatische literaturtheoretische Auffassungen motiviert erscheint und mithin destruktiv auf den rumäniendeutschen Literaturbetrieb zurückwirkte. Als eine Ironie der Geschichte erscheint, dass dieser „übereifrige“ Täter sich sodann 1976 in die Bundesrepublik Deutschland absetzte und hier selbst Gegenstand der Bespitzelung und Berichte anderer zynisch-skrupelloser Zuträger der Securitate aus dem Kreis der Literaten (etwa des allbekannten und ebenfalls recht eifrig berichtenden IMs „Moga“), auch während deren regelmäßigen Auslandsreisen, wurde.
Im zweiten Hauptteil des Buches „Im Umkreis des Kronstädter Schriftstellerprozesses aus dem Jahr 1959“ (S. 245-610) geht es zunächst hauptsächlich um Geschehnisse und Personen dieser bekannten und einschneidenden Ereignisse in Siebenbürgen, über die weitere Veröffentlichungen, nicht zuletzt der von Peter Motzan und Stefan Sienerth herausgegebene Band „Worte als Gefahr und Gefährdung. Schriftsteller vor Gericht“, München 1993, vorliegen und deren Erkenntnisse nochmals zusammengeführt werden. Im Einzelnen werden in diesem Teil sodann in einem umfangreichen neueren Beitrag die Lebensgeschichte und vielfältigen Beziehungen zu herausragenden siebenbürgisch-sächsischen Persönlichkeiten, das schriftstellerische Schaffen, die Unmutsäußerungen und das mutige Auftreten wie auch die Bedrängungen und gescheiterten Anwerbungsversuche Erwin Wittstocks durch die Securitate behandelt. Zu einer entschieden kritischen Stellungnahme Wittstocks bei einer Schriftstellerversammlung 1956 wird von Sienerth festgehalten: „Tatsache ist, dass dieser Vorfall singulär in der Geschichte der rumäniendeutschen Literatur sein dürfte, und Erwin Wittstock der einzige unter den deutschen Schriftstellern gewesen ist, der in den Jahren, als die Diktatur besonders grausam gegen ihre Gegner vorging, den Mut aufbrachte, öffentlich Wahrheiten anzusprechen und Stellung gegen ungerechte Handlungen und Bestimmungen des kommunistischen Regimes zu beziehen.“ (S. 283f). Als eifrige wie teilweise unverkennbar gehässig und diffamierend agierende Zuträger der Securitate treten auch in diesem Falle u.a. Heinz St²nescu, Franz Johannes Bulhardt und Carl Göllner wie auch Elena Moisuc, die unter dem Decknamen „Gaspara Stampa“ berichtete, in Erscheinung. Nach dem gescheiterten Versuch der Anwerbung der Securitate und seiner Instrumentalisierung für die Politik des kommunistischen Regimes schien vieles auf die Verhaftung Erwin Wittstocks hi-naus zu laufen, doch dem kam Wittstocks Tod nach einem jahrelangen Krebsleiden, am 27. Dezember 1962, zuvor.
Des Weiteren geht es um die Biographie, das Werk und das intellektuelle Schaffen des bekannten Kunsthistorikers, Literaturwissenschaftlers, Hochschullehrers und Übersetzers Harald Krasser, dessen Wirken natürlich von der Securitate ebenfalls nicht unbehelligt blieb, sondern der bereits 1952 unter Druck und verängstigt für eine IM-Tätigkeit angeworben wurde, aber seine diesbezüglichen Aufgaben nicht erfüllte, und sodann, nach langjähriger Bespitzelung, Ende der 1950er Jahre erneut als IM verpflichtet werden sollte, sich aber widersetzte und daher zeitweilig verhaftet wurde und seine Stelle als Hochschullehrer verlor. Dazu lautet das Fazit Joachim Wittstocks, dass Krasser trotz alldem nicht zu den zu „vielerlei Konzessionen bereiten“ rumäniendeutschen Intellektuellen gehörte, und dass er trotz notwendiger Umstellungen und Anpassungen nie zur „Selbstpreisgabe“ bereit gewesen wäre (S. 368).
Eine 1957 im Landtag Nordrhein-Westfalens gehaltene Rede ihres Bruders, des Innsbrucker Universitätsprofessors Dr. Karl Kurt Klein, und die spätere Verbreitung dieses Redetextes in Siebenbürgen bildete wohl den Ausgangspunkt der Verhaftung der Sprachwissenschaftlerin und sehr produktiven Übersetzerin Hermine Pilder-Klein, die bereits vorher von der Securitate beobachtet und verfolgt wurde, und ihres anderen Bruders Gustav Adolf Klein im Jahr 1958. Das in diesem Beitrag behandelte Fallbeispiel stellt uns nicht nur einen weitläufigen und vielfach im siebenbürgisch-sächsischen bildungsbürgerlichen Milieu vernetzten Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis vor, sondern ebenso, wie gefahrenreich in den 1950er Jahren und später Systemgrenzen überschreitende Familienbeziehungen und Bekanntschaften waren, insbeson-dere wenn sie von der Securitate und dem kommunistischen Regime als in den feindschaftlich wahrgenommenen Beziehungsnexus zu den landsmannschaftlichen Organisationen im Westen eingebunden wahrgenommen wurden.
Ein weiteres prominentes und zugleich erschütterndes Fallbeispiel wird uns mit dem besonders schwer durch Arbeitslager, Haft wegen versuchten Grenzübertritts, Zwangsaufenthalt, intensiven Verfolgungen und Haftstrafe im Zusammenhang mit dem Kronstädter Schriftstellerprozess betroffenen und gezeichneten Lebenslauf des bekannten und universalhumanistisch gebildeten Dichters und Übersetzers Wolf von Aichelburg präsentiert, wobei zugleich dessen außergewöhnliches künstlerisches Wirken und nachhaltige intellektuelle Bedeutung in der rumänischen wie auch rumäniendeutschen Literatur und Kunst, aber auch dessen widersprüchliches Verhalten umrissen werden. Im Zeitraum der zweiten Hälfte der 1960er Jahre bis zu seiner Ausreise 1981 konnte er zunächst viel veröffentlichen und mehrmals ins Ausland reisen, zugleich gelang es dem rumänischen Geheimdienst, ihn zu beeinflussen und einzubinden und 1974 sogar unter dem Tarnnamen „Ca]avencu“ als Informellen Mitarbeiter zu verpflichten. Obgleich er einige umfangreiche Berichte verfasste, wurde die Securitate aufgrund bestimmter Vorkommnisse misstrauisch und entpflichtete ihn bald. Dem schlossen sich sodann in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre erneute Verfolgungen und Repressionen an, wobei auch Aichelburgs homosexuelle Neigungen und Kontakte geschickt instrumentalisiert wurden. Seine internationale Bekanntheit und die vielfältigen prominenten Unterstützungen aus dem westlichen Ausland schützten ihn wohl vor einer weiteren Verhaftung und verhalfen ihm auch nach längerer Wartezeit 1981 nach Deutschland auszusiedeln.
Der zweite Hauptteil des Bandes wird mit einem weiteren Täterprofil, nämlich dem des bekannten und fachlich durchaus produktiven Historikers Carl Göllner abgeschlossen, dessen umfangreiche und gravierende Spitzeltätigkeit für die Securitate und andere Geheimdienste erst nach dem Zugang zu den einschlägigen Archiven in voller Tragweite, in ihrer hinterhältigen und eigennützigen Motivation wie auch tiefgründigen Skrupellosigkeit sichtbar wurde. Er erscheint als ein zwielichtiger Charakter, der nach jahrelangen, teilweise mit geschäftlich-kriminellen Nebentätigkeiten verbundenen Studien im Ausland (Wien, Paris, Venedig, Rom) während der Zwischenkriegszeit und des Zweiten Weltkriegs die Rolle eines fleißigen, viel publizierenden Wissenschaftlers in merkwürdiger Weise mit der eines dogmatischen Kulturfunktionärs wie darüber hinaus auch eines eifrigen Zuträgers der Securitate verknüpfte. Der Beitrag lässt zudem erkennen, wie umfassend Carl Göllner Ende der 1950er Jahre für einen Einsatz als Auslandsagent des rumänischen Geheimdienstes vorbereitet wurde, zu dem es allerdings dann doch nicht kam. Und ebenso, wie er selbst Anfang der 1970er Jahre unter Verdacht geriet, möglicherwei-se für ausländische Geheimdienste tätig zu sein und daher intensiv, auch bei Auslandsreisen, beobachtet wurde. In diesen Überprüfungszusammenhängen stellte sich zudem heraus, dass er vom Simon-Wiesen-thal-Zentrum verdächtigt wurde, sich während seines Aufenthaltes in Frankreich an jüdischem Vermögen bereichert zu haben, wie auch, dass er von 1944 bis 1948 als Agent der Sowjetunion tätig war. Göllner ist übrigens 1995 als Spätaussiedler und Rentner in Minden verstorben.
Der dritte Hauptteil „Allgemeines, Weiterführendes, Methodisches“ (S. 611-670) enthält wichtige methodenkritische und quellenbezogene Überlegungen wie auch Querschnittbeiträge, die insbesondere im Zusammenhang mit zwei einschlägigen Tagungsbänden zur Securitateproblematik, nämlich Gerhardt Csejka/Stefan Sienerth (Hrsg.): Vexierspiegel Securitate. Rumäniendeutsche Autoren im Visier des kommunistischen Geheimdienstes, Regensburg 2015, und Florian Kührer-Wielach/Michaela Nowotnick (Hrsg.): Aus den Giftschränken des Kommunismus, Regensburg 2018, stehen. Der vierte Teil des Buches umfasst einen „Anhang“ (S. 671-705) mit zwei Interviews Stefan Sienerths, und zwar mit Christian Schoger über „Aufklärung ist ein Beitrag zur Versöhnung“ und mit Felicitas von Lovenberg über Oskar Pastior. Ein Quellenverzeichnis und ein Personenregister runden den Band hilfreich ab.
Drei kurze Anmerkungen zum Abschluss. Erstens: der Fall Oskar Pastior, auf dessen Behandlung in Stefan Sienerths Buch hier be-sonders reflektiert wurde, hat nach Pastiors Tod und dem Bekanntwerden seiner Tätigkeit als Informeller Mitarbeiter der Securitate wie auch der Vergabe des Literaturnobelpreises an Herta Müller, nicht zuletzt für deren Roman „Atemschaukel“, viel Unruhe, Irritationen und auch Unheil in den Kreisen rumäniendeutscher Autoren und Intellektueller geschaffen, so dass sich bedauerlicherweise zeigte, wie zerstörend das viele Jahrzehnte früher gestreute Gift der Securitate noch bis in die Gegenwart hinein wirken kann. Zur Versachlichung dieser Aufregungen und Konflikte dürften Sienerths gründliche Analysen und Abwägungen wohl maßgeblich beitragen können. Dies ist zumindest zu wünschen. Zweitens: Den Befund zu den Securitateakten: „Ein Teil befindet sich noch immer in der Obhut des Rumänischen Informationsdienstes (SRI, Serviciul Român de Informații) und wird von ihm weiterhin zurückgehalten – angeblich aus Gründen der nationalen Sicherheit.“ (S. 17), der ein erhebliches Hindernis der weiteren Forschung und Aufklärung der Wahrheit darstellt, sollte man nicht nur ausdrücklich ansprechen, sondern zugleich nachdrücklich mit der Forderung an die rumänische Seite verbinden, diese Akten endlich ausnahmslos freizugeben, denn nur so kann man die legitime Erwartung der Betroffenen, zu denen ich mich diesbezüglich zähle, angemessen erfüllen, die gesamten aktenförmig festgehaltenen Sachverhalte der Bespitzelungen, Drangsalierungen und repressiven wie hinterhältig verdeckten Maßnahmen – auch und gerade nach der Ausreise nach Deutschland – erfahren zu können. Drittens: Natürlich hätte sich der Leser noch einige weitere Klarnamen, die Stefan Sienerth wie teilweise auch der Verfasser dieser Rezension kennen, gewünscht. Es gibt aber sicherlich auch bedenkenswerte Gründe, so wie vorliegend geschehen zu verfahren, wobei dies den Erkenntniswert dieses Buches wohl nicht sonderlich einschränkt.
Es liegt ein notwendiges, für das Verständnis eines dunklen und belastenden Kapitels der Geschichte des Kommunismus, seiner repressiven Herrschaftsmechanismen wie auch des rumäniendeutschen kulturellen und literarischen Lebens unverzichtbares Buch vor. Dabei sollte man sich dem Vorschlag und insbeson-dere der Aufforderung Stefan Sienerths an die einschlägigen Forschungseinrichtungen unbedingt anschließen, diesen Band nicht als Schlusspunkt, sondern als Zwischenergebnis und Grundlage weiterer, notwendiger Forschungen zu der komplexen Problematik der Umtriebe der Securitate und den folgenreichen Betroffenheiten und verhängnisvollen Verstrickungen rumäniendeutscher Schriftsteller und Intellektueller zu verstehen. Ich möchte mich der impliziten Kritik Sienerths an die Adresse „ehemaliger engagierter Institutionen“ (S. 17), deren Wille, die eindringliche wissenschaftliche Forschungsarbeit zu dieser Thematik konsequent fortzusetzen, abhanden gekommen zu sein scheint, ausdrücklich anschließen. Auf diesem Gebiet muss – der historischen Wahrheit und der Gerechtigkeit gegenüber den Opfern wegen – professionell und gründlich weitergeforscht werden.
Die Ausführungen dieses Bandes sind sehr klar in der Gedankenführung und in den Aussagen und treffsicher in der Begrifflichkeit, so dass nicht nur ein sehr lesenswertes, sondern auch ein gut lesbares Buch vorliegt, dem man sich viele aufmerksame Leser wünscht.
(Redaktionelle Bearbeitung: Werner Kremm)