Bei der Leipziger Buchmesse war Gabriela Adameșteanu auf das blaue Sofa eingeladen worden und sprach mit Jörg Plath unter anderem auch über ihr Buch „Begegnung“ (ein 24-Minuten-Beitrag wurde am 15. März vom ZDF ausgestrahlt). Am 26. April stellte sie das Buch „Întâlnirea“ in Hermannstadt/Sibiu im Erasmus-Büchercafé vor und las daraus. Aus der kürzlich im Wieser Verlag Klagenfurt erschienenen deutschen Fassung des Buches trug der Übersetzer Georg Aescht Passagen vor. Die zweisprachige Lesung erfolgte im Rahmen des vom Lehrstuhl für Germanistik des Departements für anglo-amerikanische und Germanistikforschung organisierten Übersetzerkolloquiums, das vom 25. bis 27. April in Hermannstadt stattgefunden hat.
Gabriela Adameșteanu wurde vom Literaturkritiker und Direktor des oben genannten Departements, Prof. Dr. Andrei Terian, als bedeutendste rumänische Prosaschriftstellerin der Nachkriegszeit vorgestellt. 1942 geboren, lebt und arbeitet sie in Bukarest, veröffentlichte mehrere Romane vor der Wende und wurde nach Dezember 1989 als Chefredakteurin der Zeitschrift „22“ sowie durch ihr Engagement in der Zivilgesellschaft bekannt. Ihre Romane und Erzählungen sind in zahlreiche Sprachen übersetzt, in deutscher Sprache erschien – ebenfalls von Georg Aescht übersetzt – 2013 ihr Roman „Der gleiche Weg an jedem Tag“. Für ihre journalistische und ihre schriftstellerische Tätigkeit ist sie im Ausland mehrfach ausgezeichnet worden. Prof. Dr. Maria Sass, die Inhaberin des Germanistik-Lehrstuhls, erwähnte in der Vorstellung des Publizisten, Literaturkritikers und profilierten Übersetzers Georg Aescht die Bedeutung der rumäniendeutschen Schriftsteller und Germanisten für den Zugang der rumänischen Literatur und Literaten zum deutschen Sprachraum und dass sich die Hermannstädter Germanistik in diese Mittlerbemühungen einreiht.
Der Roman „Întâlnirea“ sei jenes Werk, das seine Autorin am meisten „gequält“ hat, so Terian. Der Roman erschien erstmals vor der Wende, Adame{teanu schrieb ihn mehrmals um, die als „endgültig“ bezeichnete fünfte Fassung ist 2003 gedruckt worden. Das Buch ist, so die Autorin im Gespräch mit den Zuhörern der Lesung, einem Onkel gewidmet, der vor dem Zweiten Weltkrieg nach Italien gefahren ist, dort als Archäologe Karriere machte, ins Land nicht mehr zurückkehrte und in der Familie den Mythos des Emigranten/der Emigration unterhielt. Die Schriftstellerin hat die Erfahrung des Exils selbst nicht gemacht, kennt aber unzählige andere Geschichten, aus denen sie jene ihrer Protagonisten geflochten hat. Bekannt waren ihr die Gefahren, denen sich vor der Wende jene ausgesetzt haben, die mit Ausländern sprachen oder gar solche empfingen. Gesponnen hat die Autorin anhand von Dialogen und Monologen die Geschichte eines Emigranten, seiner Sehnsucht nach der Heimat und seines Wunsches, sie zu besuchen, was in den Jahren des Kommunismus so einfach nicht war. Seine Erinnerungen, Vorstellungen und Gefühle treffen auf jene seiner Frau Christa. Der Roman thematisiert u. a. die Gegensätze zwischen Erinnerung an die Heimat und brutalem Aufwachen, dass die Wirklichkeit dort eine ganz andere ist, die Kollision zwischen der Vorstellung der daheim Verbliebenen über die Emigration und den erfolgreichen Emigranten und die inneren Auseinandersetzungen der Personen mit gekappten Wurzeln und Bezügen mit dem Zurückgelassenen. Es begegnen sich im Roman Welten, Vergangenheiten, Geschichten, Gegenwarten – und bei der Lesung begegneten sich Sprachen und Literatur.