Eine Produktion des Béjart Ballet Lausanne gleicht einem Eintauchen in eine Traumwelt, entrückt und doch so nah. Die Choreografien des Ensembles vereinen auf einzigartige Weise die Perfektion der Bewegung und die Poesie des Ausdrucks.
Ein Glück, das Béjart Ballet Lausanne in Bukarest erleben zu können. An zwei Abenden, dem 12. und 13. Oktober, wurden in der Bukarester Sala Palatului jeweils zwei Produktionen aufgeführt: „Tous les hommes presque toujours s‘imaginent“ von Gil Roman und „7 danses grecques“ von Maurice Béjart.
Gil Romans „Tous les hommes presque toujours s‘imaginent“, dessen Premiere im April 2019 stattfand, ist ein Essay über die Liebe von strahlender Leuchtkraft und intimer Schönheit. Es erzählt von Werben und Umworben- Werden, von Freude, Gelingen und Scheitern, von Eifersucht und Leidenschaft. Da der Produktion kein Programm zugrunde liegt, lässt die Choreografie viele Interpretationsmöglichkeiten zu. So setzt die Aufführung mit einem orientalisch angehauchten Tanz wie aus 1001 Nacht ein, in der ein Jüngling (getanzt von Vito Pansini) um die Gunst der Schönen (Jasmine Cammarota) wirbt, sich dabei aber mit einem Gegenspieler (Gabriel Arenas Ruiz) und der Gesellschaft auseinandersetzen muss. So kämpft er oftmals, nicht nur symbolisch, gegen eine (real existierende) Wand, die er weder zu erklimmen vermag, noch durchbrechen kann. Diese Wand wird zum Symbol der Trennung der Welten der Hauptcharaktere, doch auch von Traum und Wirklichkeit. Als einziges Requisit eines nüchtern-minimalistischen Bühnenbilds (Marc Hollogne) spielt die Wand eine ganz entscheidende Rolle, sowohl visuell, als auch inhaltlich. Sie wird zwischenzeit-lich auch zur Video-Projektionsfläche für das Bild der Erträumten, das auch eine Auseinandersetzung mit der Welt der Technologie darstellt.
Der Tänzer und Choreograf Gil Roman, der seit 2007, als Nachfolger des legendären Choreografen Maurice Béjart (1927-2007), die künstlerische Leitung des Béjart Ballet Lausanne innehat, schafft mit „Tous les hommes presque toujours s‘imaginent“ eine Synthese von Tanz und Musik, wobei er eine Geschichte voller Leidenschaft, Sensibilität, mit einer Prise Humor und gar Ironie erzählt. Gleichzeitig feiert er die Schönheit und unerschöpfliche Ausdruckskraft des menschlichen Körpers. Ein Meisterwerk Gil Romans und seiner atemberaubend wandelbaren Tänzer um die ausdrucksstarke Jasmine Cammarota, die Dreh- und Angelpunkt der Produktion ist. Fließend, organisch, mit einem sagenhaften Timing und perfekter Koordination ist diese Choreografie zur Musik des US-amerikanischen Komponisten John Zorn, dessen innovativen Werke der Neuen Musik sowie des Jazz eine große Vielfalt an Genres umfasst, eine wahre Freude.
Mit Maurice Béjarts Klassiker „7 danses grecques“ von 1983, 2014 wieder aufgenommen, bekam man einen Einblick in die Arbeit des legendären Choreografen mit seinem Perfektionismus, dem atemberaubend schnellen Rhythmus und der wunderschönen, dem klassischen Ballettverständnis deutlicher verpflichteten Vision.
Die Tänze zur Musik von Mikis Theodorakis sind bis auf einzelne Andeutungen keinesfalls folkloristisch, sondern auf das Wesentliche konzentriert. Es steht eher die Idee der Bewegung im Vordergrund, in einen griechischen Kontext platziert.
So wird die Choreografie quasi aus dem Schaum der Wogen der Ägäis geboren, um ebendort in eine sagenhafte Tanzapotheose – eine großartige Ensembleleistung – zu münden.
Ein Abend, dessen Bilder und Stimmungen man noch lange mit sich tragen wird.