Das Internationale Jazzfestival von Wolfsberg/Gărâna, dessen 24. Ausgabe am zweiten Juliwochenende stattfinden soll(te), könnte wegen der Pandemie, ausgelöst vom Sars-CoV-2-Virus, idealerweise um einen Monat verschoben werden. So lautet eine der Varianten, mit denen die Streichung des Festivals mit gutem internationalen Ruf und vielen prominenten Teilnehmern aus der internationalen Jazz-Szene vermieden werden soll. Aber es ist nicht die einzige Variante, die die Veranstalter erwägen.
Angesichts der düsteren Evolutionsprognosen für die Pandemie, vor allem aber angesichts der als „realistisch” eingestuften Meinung der Experten, dass ein Impfstoff erst „frühestens” um Mitte 2021 zu erwarten ist (es sei denn, man ist so kopf- und verantwortungslos und folgt den Ratschlägen mit Wahlkampftouch des US-Präsidenten, sich sofort Desinfektionsmittel einimpfen zu lassen und weg ist das Virus!...), sind bereits sehr viele Festivals dieser Art, die für Spätfrühling, Sommer und Herbst 2020 geplant waren, abgesagt worden. Die Temeswarer Veranstalter des Jazz-Großevents wollen allerdings – auch angesichts der Tatsache, dass sie ihre Vorbereitungen längst abgeschlossen haben – abwarten, bis seitens der Regierung Rumäniens höchstoffiziell Rot- oder Grünlicht für Massenveranstaltungen in der zweiten Jahreshälfte 2020 signalisiert wird, Und das Jazzfestival von Wolfsberg ist eine Massenveranstaltung, wenn man sich vergegenwärtigt, dass pro Abend auch schon mal zwischen 5000 und 10.000 Teilnehmer gezählt wurden.
„Wir stationieren in einer Art Warteschleife”, heißt es seitens Marius Giura, mit dessen Namen das Festival engstens verbunden wird. „Ich bin zu hundert Prozent darauf vorbereitet, das Festival zu starten. Was mich zurückhält, ist die Unsicherheit bezüglich der weiteren und mittelfristigen Entwicklung der Pandemie. Fertig mit den Vorbereitungen war ich schon vor zwei Monaten, als auch die ersten Meldungen über die 24. Ausgabe bekannt gemacht wurden – aber etwa zeitgleich auch über das Auftauchen des neuartigen Coronavirus. Aber so lange ich keine offizielle Benachrichtigung habe, wie und ob Massenveranstaltungen in der zweiten Jahreshälfte zu gestalten sind, kann ich nichts Sicheres bekannt machen. Alle Künstler sind benachrichtigt, Facebook ist auf dem Laufenden und auch die Webseite des Events ist aktualisiert. Wir sind auch darauf vorbereitet, wenn es im Juli nicht geht, das Ganze auf August zu verlegen. Das hieße, mehr oder weniger geringfügige Programm- und Teilnehmeränderungen vorzunehmen – die Künstler haben ihre vertraglich festgelegten Termine – aber es ginge noch. Wir sind mit den Künstlern dauernd im Kontakt, denn auch für sie ist es schwierig, heutzutage kurz- und mittelfristig zu planen, bei so vielen Fragezeichen und Unsicherheiten wegen der Pandemie. Viele Tourneen sind bereits übern Haufen geschmissen worden.”
Sobald Programm- oder Personaländerungen auftreten, werden diese prompt auf der Webseite des Festivals verzeichnet. Und auf Facebook („Facebook Garana Jazz”). Dort kann man eine Botschaft des Organisationsteams an das medizinische Personal finden, das gegen Covid-19 im Einsatz ist. Zwar verwechseln die Event-Veranstalter den Namen des Virus mit dem Namen der Krankheit (das Virus ist Sars-Cov-2, die Krankheit, die es hervorruft, ist Covid-19, da das Virus nach seiner Entdeckung erst mal keinen Namen hatte, hieß es zuerst „neuartiges Coronavirus”), aber die Botschaft kommt trotzdem von Herzen:
„Wir durchleben alle eine sehr schwere Zeitspanne, die so unvorhersehbar wie erschreckend ist. Sie beeinflusst und betrifft uns unter vielen Gesichtspunkten. Heute, mehr denn je, ist der Augenblick gekommen, solidarisch zu sein, klaren Kopf zu wahren und ein warmes Herz. Wir denken an jeden von Euch und hoffen, dass ihr auf Eure Gesundheit aufpasst und auf jene Eurer Lieben. Bezüglich des Gărâna Jazz Festivals 2020 gibt es verständlicherweise eine Menge Ungewissheiten, weil keiner weiß, wie die Gesundheitskrise sich entwickelt, die durch das Coronavirus (COVID-19) ausgelöst wurde. Wir aber bleiben optimistisch und meinen, dass das Festival wie geplant zwischen dem 9. und 12. Juli 2020 stattfindet, gemäß dem bereits angemeldeten Programm. (...) Wir wünschten uns, dass das Festival dieses Jahres unter bestmöglichen Bedingungen ablaufen kann. Eine unserer Prioritäten ist dabei die Sicherheit aller Implizierten. Wir versprechen, Euch auf dem Laufenden zu halten mittels unserer Informationen und regelmäßig Aktualisierungen vorzunehmen. Fragen oder Ideen könnt Ihr uns ohne Zögern mitteilen. (...)”
Das erste Jazz-Festival von Wolfsberg hatte 1997 der Temeswarer Goldschmied und Wolfsberger Gastwirt Gheorghe („Gigi”) Tăuș gemeinsam mit Marius Giura organisiert. Teilgenommen haben rumänische und internationale Jazzer, die auf „Gigis” Einladung in seinem Gasthof als persönliche Gäste des im vergangenen Jahr verstorbenen Jazz-Fans weilten und auf seine Anregung hin eine mehrtägige Jam-Session im Hof von Tăușs Gasthof „Zur Kreuzung”/”La Răscruce” in Wolfsberg organisierten. Tăuș kochte höchstpersönlich jeden Abend kesselweise kräftiges ungarisches Pökölt zu den Jam-Sessions und servierte aus einer Riesenflasche großzügig in Maulbeerholzfässern gereiften Selbstgebrannten. Sehr rasch wurde Wolfsberg dann mit der im Tal gelegenen Freilichtbühne auf der Wolfswiese zu einer der angesehensten Adressen der internationalen Open-air-Jazz-Szene Mittel- und Osteuropas. Pro Event wurden hier aufgrund von Karten- und Aboverkauf an drei Abenden und Nächten bis zu 50.000 Jazz-Fans gezählt, denen Vertreter der internationalen Crème de la Crème des Jazz aufgespielt haben, wobei Wolfsberg vor allem für die nordische (aber auch polnische, tschechische, französische und deutsche) Jazzwelt ein wichtiges Tor zu Europa geworden ist. Hier spielten Eberhard Weber, Mike Stern, Jan Garbarek, Charles Lloyd, Jean-Luc Ponty, Stanley Jordan, Avishay Cohen, Nils-Petter Molvaer, Bugge Wesseltoft, Lars Danielsson, Magnus Oström, Zakir Hussain, Miroslav Vitous, John Abercombie, Harry Tavitian und viele andere.
Neben Wolfsberg wird während des Jazz-Festivals auch die römisch-katholische Kirche von Weidenthal tagsüber für Konzerte genutzt, wobei einzelne Jazzer dort gratis Konzerte für die „Luftschnapper” bieten. Die Kirche ist seinerzeit vom Erzdechant des Banater Berglands und heutigen Bischof der in diesem Jahr 990-jährigen Tschanader/Temeswarer Diözese des Heiligen Gerhard, Monsignore Josef Csaba Pál, großzügig den Veranstaltern zur Verfügung gestellt worden und sein Nachfolger als Dechant des Banater Berglands und Pfarrer der Reschitzaer „Maria-Schnee”-Kirche, Veniamin Pălie, setzt die Tradition fort.