Hermannstadt - Vier Titel von drei Autoren umfasste die Buchvorstellung am 4. März in der Buchhandlung Habitus in Hermannstadt/Sibiu. Die Veranstaltung wurde vom Hermannstädter Dichter Radu Vancu geleitet, und hatte den Dichter Dumitru Chioaru zu Gast. Nora Iuga, von Radu Vancu einleitend als eine der bedeutendsten rumänischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts vorgestellt, präsentierte zwei ihrer neuesten Publikationen „Der Schwan mit zwei Eintritten“ (Lebăda cu două intrări), beim Verlag Polirom zu Beginn dieses Jahres in Neuauflage erschienen und „hör wie die Klammern weinen“ (ascultă cum plîng parantezele), verlegt von Cartea Românească, ebenfalls dieses Jahr. Angela Baciu stellte „4 Tage mit Nora“ (4 zile cu Nora) vor, das Nora Iuga zum 85. Geburtstag gewidmete Dialog-Tagebuch, 2015 im Verlag Charmides erschienen. Joachim Wittstock stellte die von Nora Iuga ins Rumänische übersetzte Novelle „Die merkwürdige Reise des Peter Gottlieb“ vor, veröffentlicht 2015 im Verlag Tracus Arte.
Ein Abend vom Feinsten, an dem nicht nur die vorgelesenen Texte für sich sprachen, sondern auch die Autoren in Dialog miteinander traten. Ihr Buch „Der Schwan mit zwei Eintritten“ hält Nora Iuga für das Werk, zu dem sie am meisten steht. Es käme am besten ihrem Anspruch nahe, im Schreiben das Denken zu widerspiegeln. Für unvergleichbar hielt Radu Vancu dieses Buch, auch nicht mit Dada, wie Nora Iuga es für möglich gehalten hätte –es sei allerhöchstens dem Werk des jungen Tristan Tzara nahestehend. Zu Angela Bacius Tagebuch meinte Nora Iuga, dass da bestimmt mehr über ihren Werdegang drin steht, als sie geglaubt hätte, dass man in so kurzer Zeit zusammenbringen kann. Angela Baciu hätte die Gabe, ihr Löcher in den Bauch zu fragen. So entstand eine wunderbare Dokumentation zu Nora Iuga und ihrem Schreiben.
„Peter Gottliebs merkwürdige Reise“ ist die zweite Übersetzung Nora Iugas aus Joachim Wittstocks Werk. 2007 übersetzte sie eine Sammlung ausgewählter Skizzen und Novellen („Dumbrava morilor. Schiţe şi nuvele“). Die Märchennovelle wurde auf Deutsch bereits 1994 im Erzählungsband „Spiegelsaal“ veröffentlicht, bleibt aber zeitgemäß, indem sie, so Dumitru Chioaru, in die Zukunft hinausweisend, die Identität in der modernen Welt hinterfragt. Joachim Wittstock stellte die Novelle vor, in der es um den Verlust der Identität geht. Während seiner Deutschlandreise ist Peter Gottlieb auf der Suche nach dem Grauschatten, Metapher für Identität. Nur noch wenige Menschen haben einen Schatten, viele vermissen ihn aber auch gar nicht.
So wirft die Märchennovelle das Dilemma auf, ob es sich auch ohne den Grauschatten, ohne Identität, gut leben lässt, ob gar der Grauschatten irgendwie ersetzt werden kann, etwa durch einen künstlich erzeugten Buntschatten, was für eine erfundene, selbstgeschaffene Identität stehen würde. Joachim Wittstock schilderte, wie die Erzählung über die Suche nach dem verlorenen Schatten auf seiner Reise nach Deutschland unter dem Einfluss Adalbert von Chamissos Märchenerzählung „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ geschrieben wurde.