Klausenburg – Das Gedenken an Zionist Rudolf Kasztner (1906-1957) polarisiert zwar, doch ohne seine führende Rolle im jüdischen „Komitee für Hilfe und Rettung“ in Budapest während des Zweiten Weltkriegs wäre das 2020 in einem exemplarisch renovierten Keller der Altstadt von Klausenburg/Cluj-Napoca eröffnete und sehr hell einladende „Muzeon“ auch nicht genau die private Einrichtung, die breit und detailgenau zugleich von der jahrhundertelangen Historie der Jüdischen Gemeinde vor Ort berichtet, ohne das Anprangernde ihrer Monografie überzubeanspruchen. 300 jüdische Kinder, Frauen und Erwachsene aus dem magyarischen Kolozsvár, das auch seine Heimatstadt war, hatte der studierte Jurist Rudolf „Rezsö“ Kasztner mit einem Sonderzug nach Caux in die französische Schweiz retten können, nachdem er eine Schonung von über 1600 Juden aus ganz Ungarn direkt persönlich mit Adolf Eichmann ausgehandelt haben soll. Auch der Zweite Wiener Schiedsspruch, der Klausenburg und besonders seiner jüdischen Einwohnerschaft, die damals ungefähr 16.000 Mitglieder zählte, faschistische Schicksalswege vorzeichnen sollte, wird im „Muzeon“ nüchtern und fast schon beiläufig als ein historisches Eckdatum ohne traumatische Nachwirkung vermittelt. Das Team hinter der Dauerausstellung weiß, dass im einschlägigen Teilraum, der bis an die Decke hoch mit antisemitischen Zeitungs-Ausschnitten der strengsten Epoche zu Mitte des 20. Jahrhunderts tapeziert ist, das Ausgestellte klar für sich selbst spricht und keiner weiteren Erklärung bedarf.
Die inhaltsschwere Geschichte des jüdischen Klausenburg nämlich drängt sich Besuchern aus einem Kopfhörer auf – der Audioguide in nicht zufälligerweise 21 Stationen führt durch den verwinkelten Museums-Keller-Rundgang bis in das 21. Jahrhundert. Wer gerne zwei oder noch mehr Stunden für das „Muzeon“ aufbringt, kommt dabei voll auf seine Kosten: Julia, Paul und David gehören zwar zu ein und derselben jüdischen Großfamilie namens „Lusztig“, nutzen jedoch die Story ihrer Gemeinschaft zur Rückblende auf ein jeweils leicht anderes Bild idyllischer und schrecklicher Geschehnisse, von denen es sich mehr zu erfahren lohnt. Sich bei jeder einzelnen von 21 Stationen die Zeit zu nehmen, allen drei verschiedenen Stimmen aufs Neue zuzuhören, bedeutet keinen beträchtlichen Zeitaufwand ohne kulturellen Mehrwert, sondern ein Bildungserlebnis, das auch bei Wiederholungen Überraschungen bereithält, statt ins Repetitive und Voraussehbare zu verfallen. Eine interaktiv trumpfende Stätte, der wahlweise auf Rumänisch, Ungarisch, Hebräisch, Französisch, Deutsch, Englisch oder Spanisch gelauscht werden kann. Nicht zu vergessen auch die bildliche Aufbereitung schwieriger Themen im „Muzeon“, dessen Nachstellung eines KZ-Transport-Viehwaggons sämtlich wichtige Details berücksichtigt, und der Hinweis auf eine gewisse Abteilung des Städtischen und Regionalen Krankenhauses, die den modernisierten und erweiterten Zwischenkriegszeit-Altbau des Klausenburger Jüdischen Spitals nutzt. Und der aschkenasische „Tscholent“ aus Kartoffeln, weißen Bohnen und koscherem Fleisch für den Sabbat, der Julia, Paul und David Lusztig fern ihrer Heimat das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ? In Nordsiebenbürgen ist er noch heute auch bei nicht-jüdischen Hausleuten beliebt. Sogar für die fromme Vorgabe, ihn sehr langsam im Ofen garen zu lassen – was die Einhaltung des Verbots von Arbeit zu Sabbat ermöglicht – hat man in Klausenburg und Region ein geeignetes rumänisches Wort parat: „c²thingan, c²thingan.“ Langsam, langsam. Auch das „Muzeon“ ist nicht über Nacht entstanden. Aber das, was es bietet, könnte aus den verfügbaren Zutaten nicht besser gemischt worden sein.