Hermannstadt - Wo in der Synagoge von Hermannstadt/Sibiu schon seit geraumer Zeit keine jüdischen Gebetshandlungen mehr üblich sind, enthält auch ihr Tora-Schrein, im Hebräischen „Aron Kodesh“ genannt, wahrscheinlich nichts, was mit den Tora-Rollen gleichgesetzt werden könnte. Die werden sicher an einem anderen Ort außerhalb der Tempelmauern aufbewahrt. Ein Feuerlöscher vor dem verschließbaren Platz für das Allerheiligste hingegen steht Tag und Nacht bereit, und Mittwochabend, am 9. August, war er auch um ein paar Halbliter-Wasserflaschen verstärkt.
Chanson-Sänger Bagrat Tsurkan und seine mitfiebernden Kapellen-Adjuvanten aus Odessa hatten sie in der Tat dringend nötig, um ihre Zuhörer und Zuschauer über 90 Minuten lang brennend aufhorchen zu lassen. Obwohl ein unter Trinkfesten gerne bemühtes Sprichwort besagt, dass „Wasser für die Fische ist“, und eine jüdische Findigkeit „in Odessa stets einen lebenden Fisch“ verortet. Im transsylvanischen Hermannstadt aber fühlten sich auch die Matadoren der Klezmer-Band „Kommuna Lux“ wie Fische im Wasser. Sonst würde sie sich zu Schluss nicht mit lauter roten, gelben und blauen Banknoten des rumänischen Leu gefüllt haben, die Spenden-Kasse für die Jüdische Gemeinde von Odessa am Ausgang der Synagoge und des Benefiz-Konzerts.
Und für das, was diese Herren aus der ukrainischen Schwarzmeer-Metropole musikalisch wie gestisch blendend routiniert vom Stapel ließen, ist „Konzert“ ein ohnehin unzureichendes Wort. Eine Show nach allen Regeln feinster Unterhaltungskunst brachte „Kommuna Lux“ nach Hermannstadt. Das Ukrainische und das Jiddische von Bagrat Tsurkan und seinen sechs Kollegen, die dann und wann für ein paar Takte röhrend mit in das Singen der Folklore einstimmten, brauchte nicht wirklich verstanden zu werden. Es genügte bereits, die beiden Sprachen akustisch voneinander zu unterscheiden, um sich am Auftreten der Gäste einfach nicht satthören zu können. Das spektakulär flinke Tempo mancher Tanzbewegungen, die Gitarrist Viktor Kyrylov simultan zum Spielen über schier endlose Strecken Zeit drauf hatte, und die Ur-Begeisterung in der Körpersprache von Akkordeonist Oleg Vasyanovych heizten das Knistern von Bonmots und Chansons aus dem Odessa alter Zeiten in der Hermannstädter Synagoge binnen wenigster Programmpunkte auf. Geistreich statt billig der Spaß, womit „Kommuna Lux“ die extreme Ungleichheit der Körpergröße zwischen dem deutlich kleingewachsenen Sänger Bagrat Tsurkan und dem baumlangen Schlagzeuger Serhyi Poltorak ausspielte, und angenehm herb das Posaunen-Timbre von Yaroslav Besh, das sich gut mit dem rauen, doch kein bisschen unsauberen Plärren der Trompete von Andrii Okhramovych mischte.
Und der Klang der Klarinette als quirlige Ensemble-Spitze, von Volodymyr Gitin beigesteuert? Obszön, wie es sich für einen rassigen Klezmer-Sound gehört! Wunderbar außerdem, dass man sich im Publikum, das mit den engen Sitzbänken in der Synagoge zurechtzukommen hatte, nicht auf ein Wippen mit seinen eigenen Fußspitzen im Takt beschränken musste.
Beim zwei Wörter zählenden Refrain „Gefilte fish“ und dem jüdischen Traditionslied „Hevenu shalom aleichem“ („Wir wollen Frieden für alle“) war das Mitsingen erwünscht und nicht zu unterbinden.