Leuchtturm nicht wegen der Strahlung, sondern einer Atmosphäre

Auch Minaretts in golden gerahmten Bildern von Gavril Mocenco

Trotzdem Kurator Dr. Alexandru Sonoc (links vorne, mit Papier in der Hand) und Künstler Gavril Mocenco (ebenso im Vordergrund) sich für die Vernissage am zweiten Juni-Nachmittag einen größeren Publikumszulauf gewünscht hatten, zeigten einige Besucher hohes Interesse an der Ausstellung und im Anschluss an ihre Eröffnung Freude an einer gemütlichen Runde Fachsimpeln im Gespräch mit den Hauptprotagonisten von „Tradiție, meditație, revelație“. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Die Marke als ethnisch und kulturell diverses Terrain behält Siebenbürgen längst nicht mehr für sich alleine. In der Abteilung des Brukenthalmuseums für Zeitgenössische Kunst halten Künstler Gavril Mocenco aus der Dobrudscha und Kurator Dr. Alexandru Sonoc schließlich noch bis Mittwoch, den 22. Juni, die Ausstellung „Tradiție, meditație, revelație“ bereit. Stillleben mit dem Leuchtturm von Sulina zu verschiedenen Tageszeiten und aus unterschiedlichen Blickwinkeln, Bilder von wilden Uferstrecken des Schwarzmeerstrandes und Fischern in Gewissensnot während der Heimsuchung durch einen Engel Gottes, das nach einem Begriff der spezifisch rumänischen Mythologie benannte Gemälde-Tryptichon „Ursitoarele“ sowie auch ganz einfach ohne jede Verschlüsselung gezeichnete Frauen-Porträts bedeuten lohnende Motive für einen Besuch der neuesten Exponate des 1945 in Sulina geborenen Malers, die im Erdgeschoss von Hausnummer 6 der Quergasse/Tribunei in Hermannstadt/Sibiu aushängen. Zum allerersten Mal nach langen Wochen und Monaten im Kalenderjahr 2022 war frühnachmittags zur Vernissage am 2. Juni ein leider nur kleines Publikum vorstellig geworden. Dr. Alexandru Sonoc rechnete das etwas enttäuschende Ausbleiben der öffentlichen Neugierde der Frühjahrsmüdigkeit vor Anbruch der in Hermannstadt alljährlich sprühenden Festival- und Sommersaison zu und hofft auf ein Ansteigen der Besucherzahlen mit fortschreitender Ausstellungsdauer. Denn „nichts ist an einem Tag erschaffen worden. Nicht einmal die Welt“. Gastkünstler Gavril Mocenco für seinen Teil gab zu Protokoll, „während der Arbeit auf Entdeckung unterwegs“ zu sein.

Als Wahl-Bukarester seit 1990 und vom Patriarchat der Orthodoxen Kirche Rumäniens (BOR) akkreditierter Maler, dessen Handschrift sich auch in der Kathedrale der Heiligen Konstantin und Elena in Constanța niedergeschlagen hat, kann Gavril Mocenco aus gutem Grund nicht umhin, in etlichen seiner Werke die nostalgische Note des Rückblicks auf Kindheit und Jugend in Sulina zum Leuchten zu bringen. Eine noch ausgeklügeltere Strategie, die ausschließlich auf dem Wasserweg erreichbare Klein- und Schwarzmeer-Hafenstadt des Donaudeltas unter ihren unerfahrenen Besuchern bekannt zu machen, ist wohl schwer zu orten. Gavril Mocenco tritt nicht nur als Mitglied der Innung der Bildenden Künstler (UAP), sondern auch als ein Lokalpatriot mit offenem Herz auf. Sogar für die Revolution Rumäniens im Dezember 1989 hat er einen Interpretationsschlüssel übrig, der alle Scharfrichter und Nutznießer des Geschehens in ein und dieselbe Kritik nimmt, wie Kurator Dr. Alexandru Sonoc frei bemerkt. Das gleich rechts am Eingang zur Ausstellung hängende „Golgota“ von Maler Gavril Mocenco stellt den gekreuzigten und von Schaulustigen harsch angebrüllten Christus vor der Fassade des Bukarester Victoria-Palasts dar, während im Hintergrund mit Fahnen und Feuerwaffen gerüstete Menschenmassen kämpferisch aufeinander losgehen. Darüber, dass die „Demokratie“ auf einem weißen Banner und alle verstummten Zuschauer des gewaltsamen Treibens als Verlierer vom Platz gehen, besteht kein Zweifel. Wer bei Gavril Mocenco ein politisches Statement sucht, wird denn auch ganz klar fündig. Und das Beste daran ist, dass es der Kunst keinen Abbruch tut.