Rumänische Schulen in der Pandemie

Einige Beobachtungen und Stimmen in einer Allgemeinbildenden Schule in Großsanktnikolaus

Ein weiteres Beispiel fürs Zupacken der Lehrkräfte des Nestor-Oprean-Gymnasiums Großsanktnikolaus außerhalb ihrer pädagogischen Pflichten: Zeichenlehrerin Cristina Lihat (im Bild) mobilisierte in den vergangenen Sommerferien mehrere ehemalige Schüler der Schule – unter Ihnen auch heutige Lehrer wie den Biologielehrer Călin Sbîrciog –, und sie bemalten die Gassenfront des Schulgebäudes, in dem die Grundschulklassen unterrichtet werden. | Fotos: Nestor-Oprean-Schule

Tschüss Sommerferien: Mittlerweile hat in allen deutschen Bundesländern die Schule wieder begonnen – und nicht nur da, sondern auch im Ausland, beispielsweise am Montag vergangener Woche in Rumänien, wo es bislang während der Corona-Pandemie deutlich strengere Regelungen als in Deutschland gab. Während des Lockdowns durften die Schülerinnen und Schüler nur zu bestimmten Zwecken ihre Wohnungen verlassen; gelernt wurde online – oder mancherorts eben gar nicht, weil keine Rechner zur Verfügung standen oder weil es unüberwindliche Hürden anderer Natur gab. 
Doch ausgerechnet in Rumänien, das immer mal wieder durch Schlagzeilen über korrupte Politiker und Armut auffällt, gibt es durchaus auch Schulen, die der Pandemie ganz gut getrotzt haben – mit Laptops für alle, mit guter technischer Ausstattung, und vor allem mit, bezogen auf die Schülerzahl, mehr Lehrpersonal als an vielen Schulen in Deutschland. 
Schulauftakt in Rumänien – wir haben uns gleich am zweiten Schultag am Nestor-Oprean-Gymnasium in der Kleinstadt Sânnicolau-Mare/Großsanktnikolaus für den Deutschlandfunk umgehört.


Die Uralt-Schulklingel geht durch Mark und Bein: Endlich Pause! Ansonsten allerdings geht es am Nestor-Oprean-Gymnasium (Nr. 2) in der westrumänischen Kleinstadt Sânnicolau Mare, auch bekannt unter dem deutschen Namen Großsanktnikolaus, ziemlich modern zu. In einem Klassenzimmer im Untergeschoss, in der achten Klasse, steht eine Videokamera. Ein Beamer wirft ein Bild auf die Leinwand: Darauf zu sehen: Mathe-Formeln und – als Bild im Bild – ein Mädchen.

„Das ist unsere Klassenkameradin Diana. Die hat sich mit Corona infiziert; sie kann deshalb nicht in die Schule gehen.“ Selbstverständlich, so Denis Cordis aus der Klasse 8a, wolle man die infizierte Mitschülerin am Unterricht teilhaben lassen. Und so schalte man sie halt einfach von zuhause aus zu – direkt ins Klassenzimmer. 

Und dann ist da noch dieses riesige Gestell mit Leuchtanzeige gleich am Eingang, durch das alle hindurchmüssen: „Wenn die Schüler in die Schule kommen, wird ihnen das Fieber gemessen. Da haben wir vom Rathaus eine Ausstattung, einen Fieberscanner, gleich beim Eingang hingestellt bekommen. Und die Schüler gehen einfach durch. Dann haben wir die Temperatur jedes Schülers.“ 

Diese Erklärung gibt uns Ramona Roosz-Suba, die als stellvertretende Schulleiterin an der deutschen Abteilung eine Vorschulklasse („Klasse Null“) unterrichtet. Kam die erste Schulschließung als Folge der Corona-Pandemie im März 2020 wie ein Schlag aus heiterem Himmel, so gelang es dem Gymnasium im Westen des Banats doch sehr schnell, sich technisch aufs Online-Learning einzurichten.

„Die Schüler hatten mehrheitlich Laptops oder Tablets, mit denen sie am Online-Unterricht teilgenommen haben. Diejenigen, die keine solche technische Möglichkeit hatten, wurden dann vom Rathaus der Stadt Großsanktnikolaus – auf Basis von sozialen Erhebungen – unterstützt mit den entsprechenden Geräten und dem technischen Beistand.“ Frau Roosz-Suba zeigt sich sehr zufrieden mit der Unterstützung seitens der kommunalen Behörden in der Sondersituation der Pandemie.

Die Bereitstellung der Laptops hauptsächlich durch die Stadtverwaltung sei schnell und unbürokratisch erfolgt, so die stellvertretende Schulleiterin. Dies hänge mit den zwei großen Unternehmen in der Stadt zusammen, die die kommunalen Steuern reichlich sprudeln lassen: Für Laptops und IT-Technik war also Geld da – in Großsanktnikolaus. Und anderswo in Rumänien?

„Natürlich gibt es auch Dörfer und andere Städte, wo die Situation nicht so rosig ist wie bei uns. Was ich gehört habe: Es waren auch Lehrer, die sind zu den Schülern nachhause gegangen, haben ihnen die Aufgaben und Arbeitsblätter nachhause getragen. Denn sie hatten tatsächlich keine andere Chance, zu diesen Schülern zu kommen.“ Und: „Soweit ich aus den Medien und von Bekannten weiß, gibt es auch jetzt Ortschaften, wo der Unterricht mehr oder weniger ausgefallen ist in dieser Zeit, auch dadurch, dass es an Technik gefehlt hat, an Interesse, oder auch am Einsatz(willen) der Lehrkräfte.“

Diese Ergänzungen kommen vom Rumäniendeutschen Andreas Kappel, der an dieser Schule in Großsanktnikolaus Deutsch, Englisch und Heimatkunde unterrichtet – und ganz nebenbei auch noch in der Pandemie die IT-Infrastruktur der Schule, gemeinsam mit dem Informatiklehrer, aufgebaut hat, ohne die Zeit auf seine Unterrichtsstunden anrechnen zu können. Sein Motiv: „Also, der Spaß an der Sache, sozusagen. Und die Freude daran, etwas beigetragen zu haben, dass der Unterricht trotz aller Restriktionen gut verlaufen kann. Dafür sind wir Lehrer doch da.“

Unterrichtspause in der achten Klasse: Die Mädchen und Jungen sind froh, dass sie endlich wieder in die Schule dürfen. Denn die bisherige Pandemiezeit fiel für die Schülerinnen und Schüler in Rumänien deutlich härter aus als für Gleichaltrige in Deutschland. 

Iulia Giambașu, Klasse 8a: „Das Schlimmste während der Pandemie war, dass wir zeitweise nicht einmal mehr die Wohnung verlassen durften. Daran konnte ich mich beim besten Willen nicht gewöhnen. Das war etwas, was man sich nie hatte vorstellen können. Es war schon hart für jemand wie ich es bin, die gewohnt ist, mal auszugehen, mich mit Freundinnen und Freunden zu treffen, uns direkt auszutauschen.“

Nun dürfen sie und ihre Mitschüler hinaus, auch in die Schule und in den Schulhof – aber: Wie lange noch? In Rumänien schnellen dieser Tage die Infektionszahlen nach oben, was umso tragischer ist, als die Impfquote der Gesamtbevölkerung bisher nicht einmal bei 30 Prozent liegt. Wenigstens die rumänischen Lehrerinnen und Lehrer gehen da mit gutem Beispiel voran, so Daniela Florentina-Nacov, Schulleiterin des Nestor-Oprean-Gymnasiums in Großsanktnikolaus:

„In unserer Schule sind 84 Prozent des Lehrerkollegiums geimpft. Ich denke, das ist mit das Wichtigste: Geimpft zu sein, um sinnvoll pädagogisch an der Schule arbeiten zu können. Damit sich und alle anderen implizite zu schützen.“

(Bearbeitung für die ADZ: Werner Kremm)