Deutschsprachige Zeitungen und Publikationen im östlichen Europa sind wichtige identitätsstiftende Institutionen für die verschiedenen deutschen Gruppen und dienen insbesondere auch der Selbstvergewisserung der eigenen Gemeinschaft. Neben Tageszeitungen wie der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“ existieren zwischen Prag, Budapest und Moskau vor allem Wochen- oder Monatszeitungen. Etwa zwei Dutzend Redakteure vom „Wochenblatt.pl“ aus Oppeln, der „Neuen Zeitung“ aus Budapest oder der „Hermannstädter Zeitung“ trafen sich Ende November auf Einladung der „Deutschen Gesellschaft e.V.“ am Potsdamer Platz in Berlin.
Das große Thema der zweitägigen Tagung im Mosse-Palais waren Redaktionserfahrungen und Entwicklungen im Online-Journalismus. Während die ADZ die Artikel der Druckausgabe unter geringer Bearbeitung auf die Internetseite stellt, arbeitet „Der Nordschleswiger“ seit Kurzem nach dem Prinzip „web first“ und stellt seine Printausgabe im Februar 2021 sogar komplett ein. Cornelius von Tiedemann, der stellvertretende Chefredakteur der Tageszeitung aus dem südlichen Dänemark, berichtete über Herausforderungen und Akzeptanz dieses vorausschauenden Schrittes.
Anders als die verschiedenen deutschen Gruppen in Rumänien leben die Deutschen in Dänemark in einem kleinen Gebiet um die Städte Tondern, Apenrade, Hadersleben und Sonderburg. Allerdings entspricht die Zeitung mit einer Auflage von 2600 Exem-plaren und knapp zwei Dutzend Redakteuren etwa der Größe unserer Zeitung. Doch anders als bei der PDF-Ausgabe der ADZ werden die Artikel des „Nordschleswiger“ von vornherein an unterschiedliche Lesegewohnheiten und die strukturellen Vorgaben von Smartphone oder Tablet angepasst.
Zwei interessante Einblicke in Medien außerhalb des östlichen Europas boten Elisabeth Turker von „stol.it – Nachrichten für Südtirol“ aus Bozen und Aila Stöckmann von der „RivieraZeit“. Zweitere erscheint als zweimonatiges Magazin im französischen Biot und informiert über die Côte d’Azur. „Südtirol Online“ hingegen ist eine reine Online-Publikation, die über Südtirol sowie die Welt informiert und eng mit der Tageszeitung „Dolomiten“ zusammenarbeitet. Das Nachrichtenportal entstand bereits 1997 und hat täglich Tausende Besucher. Doch während bei der ADZ rund zwei Drittel der Online-Zugriffe aus Deutschland erfolgen, ist das Südtiroler Portal deutlich lokaler verankert, hat allerdings trotzdem eine signifikante Leserzahl in der Bundesrepublik.
Die Eröffnung der Veranstaltung fand in Anwesenheit von Sylvia Groneick statt, die im Auswärtigen Amt als Referatsleiterin die Kultur- und Medienbeziehungen der Bundesrepublik verantwortet. Anschließend sprach Julius Reimer zur Einführung über das Selbstverständnis von Journalisten. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung stellte dabei Forschungserkenntnisse über das Vertrauen in den Journalismus, der allgegenwärtigen Medienkritik sowie der Diskrepanz zwischen dem, was Journalisten anbieten, und dem, was Nutzer nachfragen, vor. Reimer konstatierte, dass Journalisten und Leser die klassischen Funktionen der unbeteiligten Beobachtung, objektiven Berichterstattung sowie Analyse und Einordnung als besonders wichtig erachten. In einem zweiten Vortrag informierte der freie Journalist Bernd Oswald über aktuelle Trends im Online-Journalismus und ging dabei auch auf nützliche Werkzeuge für die journalistische Arbeit ein.