Einen organisatorischen Kraftakt bürdete sich der Arbeitskreis „Banat- Ja Arad“ auf, als er in diesem Jahr das Minderheitenfestival in Arad ausrichtete. Minderheitenfeste sind in der für ihre Multikulturalität bekannten Stadt nichts Neues, doch sollten in diesem Jahr neue Akzente gesetzt werden und auch inhaltlich mehr geboten werden, so die Vorsitzende, Bettina Nicoar˛-Szellner. Während sich vormalige Auflagen auf eine Trachtenparade und spezielle Folkloredarbietungen beschränkten, haben sich die Organisatoren für die diesjährige mehrere Aktionen ausgedacht, die in der Stadt die Aufmerksamkeit auf das Fest und die Kultur der Minderheiten ziehen sollten: Es gab Straßenkonzerte, Miniaufführungen der banatschwäbischen Neuarader Trachtengruppe an verschiedenen Orten, etwa an Straßenbahnhaltestellen, im Einkaufszentrum oder vor dem Theater, eine Bilderausstellung und eine Fachtagung im Rathaus. Hinzu kam eine Minderheitenmesse, bei der teilnehmende Vereine sich und ihre Kultur präsentierten und natürlich auch die Konzerte und Auftritte im Eminescu-Park.
Vertreten waren Deutsche, Ungarn, Bulgaren, Serben, Juden, Slowaken, Roma, Ukrainer und Ruthenen, aber es gab auch Auftritte rumänischer Folkloretanzgruppen. Es ist erwähnenswert, dass es sich bei den beiden letztgenannten Minderheiten nicht um Neuankömmlinge aus dem Krieg in der Ukraine handelt, sondern um Menschen, die seit Hunderten von Jahren in Târnova und Deutschpereg/Peregu Mare leben. Die Ausstellung „Arad durch die Augen der Vielfalt. Die Geschichte der Minderheiten in Arad in Bildern“ war in der 1-Decembrie-Straße zu besichtigen.
Zweck und Ziel
Der Arbeitskreis „Banat-Ja Arad“ sorgte zudem für einen internationalen Austausch und leicht exotische Präsenz in der Stadt an der Marosch, denn man lud Tanz- und Folkloregruppen aus Novi Sad (Serbien), aus Szeged (Ungarn) und sogar eine Volkstanzgruppe der Tataren aus Konstanza ein. „In diesem Jahr haben wir 18 Ensembles oder Bands, und zwar nicht nur von den neun Minderheiten aus dem Kreis Arad, sondern auch Gäste aus dem Ausland oder von der Schwarzmeerküste. Wir versuchen langsam, dieses neue Konzept zu entwickeln. Arad ist ein Modell für die Zusammenarbeit und das gute Zusammenleben nicht nur der neun Minderheiten untereinander, sondern auch mit der rumänischen Mehrheit. Neben den lokalen Behörden und den anderen Partnern sind wir auch dem Departement für Interethnische Beziehungen des Generalsekretariats der Rumänischen Regierung sehr dankbar, das uns eine finanzielle Unterstützung für diese Aktion gewährt hat“, erklärte Pompilia Szellner, Gründungsmitglied des Vereins.
Ein Symposium zum Auftakt
Die Festivaleröffnung ereignete sich im Ferdinand-Saal des Arader Rathauses mit einer Fachtagung über die verschiedenen Minderheiten. Vertreter der Minderheiten, Historiker, Soziologen, Redakteure und Forscher trugen Beiträge über spezifische Aspekte der Minderheiten unter dem Motto „Einfluss der Minderheiten auf die Arader Gemeinschaft. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft“ vor. „Wenn Multikulturalismus zum Motor des Fortschritts wird. Deutsche/Schwaben und Arad“ hieß der Vortrag des Arader Journalisten Doru Sava, während sein Kollege Pavel Sinka über die Rolle der verschiedenen ethnischen Gruppen bei der Entwicklung der Arader Kleinstadt Petschka/Pecica berichtete. Vostinar Darko, Vizepräsident der Union der Serben in Rumänien und Präsident des Arader Serbenvereins stellte serbische Persönlichkeiten aus dem Kreis Arad vor, der emeritierte Professor Gheorghe Schwarz beleuchtete das Schicksal der Juden in Europa, Rumänien und Arad, Petru Florian, Vorsitzender der Pro-Europa-Roma-Partei und Mitglied der Anwaltskammer Buka-rest,präsentierte die Roma-Minderheit im Kreis Arad mit ihrem historischen, sprachlichen und kulturellen Erbe, mit einzigartigen Traditionen und lebendigen Bräuchen. Über die Slowaken aus Nadlak sprach die Historikerin und Ethnologin Dr. Gabriela-Adina Marco, während Irina Liuba Horvat, die Schriftführerin des Ukrainerverbands, über die seit rund 100 Jahren in Târnova ansässigen Ukrainer berichtete.
Bulgaren in Vinga
Das Balgarce-Ensemble vertrat in Arad die Bulgaren aus Vinga, bestehend aus 100 Tänzerinnen und Tänzern im Alter zwischen 5 und 28 Jahren, und kam mit den Kleinsten zum Fest. „Sie haben auch spezielle, traditionelle Kostüme, die von alten Bulgaren handgenäht werden. Leider gibt es nicht mehr viele Bulgaren in Vinga, aber wir versuchen, die Traditionen und Bräuche zu bewahren, um das, was noch übrig ist, weiterzuführen. Einige unserer Tänzerinnen und Tänzer nehmen auch Bulgarischunterricht, aber bedauerli-cherweise gibt es nur noch sehr wenige, die zu Hause Bulgarisch sprechen, und es wird auch nicht wirklich in der Familie gelernt. Ich glaube, es gibt noch ein paar Hundert, etwa 300, einschließlich der Älteren, in Vinga, aber das sind nicht 100 Prozent. Ich bin auch ein halber Bulgare, ich verstehe die Sprache sehr gut, aber ich spreche weniger, ich spreche immer noch mit meiner Mutter“, sagte der Vertreter am bulgarischen Stand.
Slowaken in Nadlak
Mit kulinarischen Leckerbissen erwartete der slowakische Stand die Besucher im Park hinter dem Arader Rathaus. „Wir vertreten die slowakische Gemeinschaft in Nadlak/N˛dlac, die unter dem Dach der Demokratischen Union der Slowaken und Tschechen in Rumänien organisiert ist. Wir sind nebst den Musikanten und Tänzern auch mit unseren noch erhaltenen kulinarischen Spezialitäten gekommen: Kuchen und Knödel, gedämpft und in Mohn, Walnüssen und Zimt gewälzt. Gott schuf die Frau mit zwei kreativen und sehr fleißigen Händen, und so bemühen wir uns in unserer Freizeit, uns mit handwerklichen Dingen zu beschäftigen. Hier steht die Nähmaschine, auf der noch immer gestickt wird, obwohl das Sticken auf der elektrischen Maschine kommerziell beworben wird, aber auf jeden Fall ist es kein Vergleich mit dem, was auf einer 100 Jahre alten Maschine gemacht werden kann“, erzählt die Frau in weißer Schürze neben den dampfenden Kesseln.
In Nadlak leben heute etwa 2500 bis 3000 Slowaken, eine Gemeinschaft, die sich vieler Erfolge rühmen kann, vor allem im Bereich der kulturellen Aktivitäten. Dies sei vor allem der Schule in Nadlak zu verdanken, die mit 75 Jahren Unterricht in slowakischer Sprache eine der traditionsreichsten Schulen in Rumänien ist. Jedes Jahr erhalten Absolventen Stipendien für ein Studium in der Slowakei, und dank der Unternehmen sind Slowakisch und Tschechisch auf dem Arbeitsmarkt immer gefragter. „Wir haben auch einen literarischen Zirkel, der regelmäßig Bücher veröffentlicht. Sieben der Schriftsteller sind Mitglieder sowohl des rumänischen als auch des slowakischen Schriftstellerverbandes und haben verschiedene international anerkannte Auszeichnungen erhalten“, so Vertreter am slowakischen Stand.
Die Deutschen im Kreis
Der Stand des Demokratischen Forums der Deutschen in Arad und des Arbeitskreises „Banat-Ja“ präsentierte anhand von einer Roll-Up-Ausstellung die Kultur der Deutschen im Banat und im Kreischgebiet. Mitgebracht hatte man zudem einige Bücher, die von den Einwohnern von Neuarad, einer ehemals deutsch besiedelten Gemeinde, handeln. Es wurden auch Kirchweihkipfel verteilt und Trachtenelemente zur Schau ausgestellt. Zudem gab es Artikel des Jugendverbandes zu erwerben. „Den Verein gibt es jetzt seit 32 Jahren und wir organisieren jedes Jahr im September die Kerwei in Neuarad. Sie wird theoretisch am 8. September, dem Fest Mariä Geburt der katholischen Kirche, gefeiert, und alle Mädchen und Jungen ziehen die rosarote Tracht an, bis zu 100 Paare. Wir werden auch zu vielen Festen in andere Ortschaften im Kreis, aber auch landesweit eingeladen,“ berichtet Bettina Szellner, die Vorsitzende des DFD Arad. Der Verein zeigte beim Kulturprogramm eine kleine Modenschau mit verschiedenen Trachten aus dem Kreis.
Nebenbei
Neben dem Minderheitenfest im Eminescu-Park gab es für alle, die sich für die Geschichte der ethnischen Gruppen in Arad interessieren, eine Stadtführung des alternativen Tourismusverbandes im Rahmen des Projekts „Arad Free Tours“, bei der die Einflüsse der lokalen nationalen Minderheiten im Mittelpunkt standen. Für die Teilnehmer und freiwilligen Helfer gab es eine Party im Festsaal des Arader Forums mit der ungarndeutschen Band „Tornado“.
Die Synagoge, die kaum einer kennt
Das Minderheitenfestival endete mit einem denkwürdigen Konzert in der neologen Synagoge in der Tribunul-Dobra-Straße (die man durch ihr weltliches Erscheinungsbild gar nicht als solche wahrnimmt): Die Hakeshet-Klezmer- Band spielte vor einem zahlreich erschienenen Publikum traditionelle und einige in ihrem eigenen Stil angepasste Lieder. Bei der Band handelt es sich um die erste Klezmer-Band in Rumänien, die 2005 in Großwardein/Oradea gegründet wurde. Im Laufe der Jahre feierte sie nationale und internationale Erfolge und begeisterte sogar das Publikum in Buenos Aires, Argentinien. Der Klezmer-Musikstil ist spezifisch für die aschkenasischen Juden Mittel- und Osteuropas, die Lieder werden bei Hochzeiten und anderen gesellschaftlichen Anlässen gesungen. Neben der religiösen jüdischen Musik fließen in die spezifischen Klänge auch andere Genres ein, darunter Einflüsse aus der osmanischen, griechischen und rumänischen Musik, aus der Barockmusik sowie aus deutschen und slawischen Volkstänzen.