Als Weltgebetstag bezeichnet man die weltweite Laienbewegung von Frauen, deren Motto lautet:
Informiert beten – betend handeln. Die Anfänge dieser großen ökumenischen Laienbewegung gehen ins neunzehnte Jahrhundert zurück. Angesichts der Not in vielen Einwandererfamilien, die sie in tätiger Liebe zu beheben versuchten, riefen 1887 einige Frauen in New York Schwestern, auch aus anderen Glaubensgemeinschaften, zu gemeinsamem Gebet an einem bestimmten Tag des Jahres auf. Die in diesem Sinn entstandene Gebetsgemeinschaft der Frauen breitete sich rasch aus und erreichte auch andere Länder und Erdteile. 1927 wurde sie zum „Weltgebetstag“. Der dafür gewählte Tag ist der erste Freitag im März. Die Gottesdienst-Ordnung („Liturgie“) wird jedes Jahr von einem anderen Land erstellt, das darin die Verhältnisse im eigenen Land mit seinen Problemen und Schwachstellen, aber auch Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten bekannt macht. Ein „Internationales Komitee für den Weltgebetstag“ sammelt die Projekte, die unterstützt werden sollen und lost die Reihenfolge der Länder aus, macht notwendige Übersetzungen und organisiert die Spenden und materiellen Hilfen, die sich aus den jährlichen Weltgebetstags -Kollekten und Spenden ergeben.
Helga Pitters
Liebe Gertrud, wie kam es dazu, dass der Weltgebetstag in unserer Kirche Einzug fand?
Das war Anfang der 70er Jahre. Und zwar hat es damit begonnen, dass die Frau Bischof Maria Klein in Deutschland war. Sie kam ja ursprünglich aus Stuttgart. Sie besuchte ihre Verwandten und hat dort ein solches Heftchen, eine Weltgebetstagsordnung, geschenkt bekommen. Dann hat sie uns zu sich gerufen, die Marlene Klein, die Christl Schullerus, die Helga Pitters, mich. Sie war so begeistert, dass eine Gruppe von Frauen gemeinsam beten kann. Am Anfang waren wir ein kleiner Kreis.
Wie wurden die Weltgebetstage in den darauffolgenden Jahren vorbereitet, immerhin zu Zeiten kommunistischer Diktatur?
Die Frau Bischof lud immer die Pfarrfrauen zu ihrem Geburtstag ein. Dann, wenn wir bei ihr in der Wohnung waren, ist der Bischof in seinem Büro geblieben. Und ihre Köchin hat ein einfaches Essen gekocht. Und wir, die aus dem engeren Kreis, haben meistens einen Salat, Kartoffelsalat, Nudelsalat, sowas gerichtet. Aber man kam ja, weiß ich, zwischen 10 und 11 Uhr an und nach dem Kaffee fing man mit dem Programm an. Und das hat dann immer das Thema vom Weltgebetstag gehabt. Sie sagte vorher, sie feiert ihren Geburtstag. Und man wusste genau, wie und was.
Bedurfte es noch weiterer Vorsichtsmaßnahmen?
Später, als Maria Klein sowohl den englischen Originaltext als auch die deutsche Übersetzung der Gebetsordnung aus Deutschland zugeschickt bekam, da hat sie sich damit sehr beschäftigt. Sie hat auch gesagt, wir müssen die Übersetzung für uns anpassen, für unsere Gegebenheiten hier, wenn wir das hier machen wollen. Und wir haben in den späteren Jahren monatelang an der deutschen Übersetzung gearbeitet. So, dass unsere Männer sich über uns schon ein bisschen lustig machten.
Die ganzen Unterlagen, die überarbeiteten Gottesdienstordnungen wurden an die Pfarrfrauen geschickt, nicht an den Herrn Pfarrer. Der Weltgebetstag kam über die Pfarrfrauen in die Kirchgemeinden.
Wie entwickelte sich das in den Gemeinden?
Das Echo in den Gemeinden war unterschiedlich. Es waren Gemeinden und Pfarrer, die uns, Frauen, machen ließen. Die Pfarrer sagten: „Das ist von Frauen ausgegangen und ist so gedacht, dass Frauen den Gottesdienst gestalten, also macht ihr es.“ Und auch die Verkündigung haben sie uns überlassen. Das war so in der Ordnung, die wir bekamen, vorgesehen; also eine Predigt zu halten.
Und habt ihr das gemacht, gepredigt?
Das waren immer Marlene Klein und Christl Schullerus, ein Jahr hat die eine gepredigt, im anderen die andere. An der Stelle, wo im Gottesdienst die Predigt ihren Platz hat, haben uns diese beiden Theologinnen, – du weißt ja, sie waren nicht anerkannt, aber doch mit Theologiestudium, – sie beiden haben die Predigt vorbereitet und auch vorgetragen.
Aber es hat auch Gemeinden gegeben, wo es hieß, die Verkündigung sollte doch der Ortspfarrer machen. Und man begrüßte ansonsten diese Gelegenheit, dass man noch einen Gottesdienst zusätzlich hat.
Wie hast du den Weltgebetstag in die Gemeinde hineingetragen?
Damals waren wir noch in Großpold Pfarrersleute. Von Großpold bin ich zwei, drei Jahre nach Hermannstadt zu diesen Besprechungen gerufen worden. Später übersiedelten wir ja nach Hermannstadt, da war es für mich leichter.
In Großpold kamen die Frauen jeden Morgen, von Advent bis Ostern, um halb acht zur Morgenandacht in die Sakristei. Und dort haben wir dann an dem ersten Freitag im März in eben dieser Andacht am Morgen den Weltgebetstag gefeiert. Wir haben das Thema besprochen, aber unsere eigenen Lieder gesungen. Auch so war es alles neu für mich.
Naja, und dann in Hermannstadt hat es seinen Lauf genommen. Da war ich mit dabei, wir haben viel, viel, viel an den Übersetzungen in den ersten Jahren geknobelt. Und Frau Bischof hatte so ihre Grundsätze und ich denke, es war ihr ein Anliegen, dass man das, was die Frauen in dem Land auf dem Herzen hatten, in der Gebetsordnung eben benennt. Sie konnte Englisch und hat sich immer auch die englische Gebetsordnung schicken lassen und hat die deutsche Übersetzung mit dem englischen Text verglichen.
Da ist nichts zu verstecken. Man orientiert sich an der englischen Liturgie. Das ist durchaus üblich. Ja. Das ist auch richtig.
Und wie ging es dann weiter mit den Weltgebetstagen?
Es ging einige Jahre so. Dann wurde das zu groß und Maria Klein sagte um eine Zeit, sie würde es bei sich in der Wohnung nicht mehr schaffen. So wurden die Pfarrfrauentreffen dann in Michelsberg und Wolkendorf gehalten. Wir hatten unsere Zusammenkünfte immer im Herbst, wenn im Pfarrgarten nichts mehr zu arbeiten war, also im November. Im Jahr 1989, im letzten Jahr vor dem Umsturz, hatten wir unser Treffen in Wolkendorf anberaumt, gerade in den Tagen, als der Parteitag war.
Damals fuhr uns der Großscheuerner Pfarrer hin. Er war am Steuer, seine Frau saß vorne und ich mit zwei anderen Pfarrfrauen hinten. An dem Morgen Richtung Wolkendorf hat die Polizei, also die Miliz uns aufgehalten, hat reingesehen und zwei Sätze mit dem Pfarrer geredet und hat uns aber auch weiterfahren lassen. Nachher haben wir dann erfahren, dass sie den Pfarrer von Wolkendorf aufgesucht haben und dass sie den ausgefragt haben. Dieser hat behauptet, das sei ein angemeldetes Treffen und der Bischof wisse darum, was nicht wirklich stimmte. Er hat das ungehemmt behauptet. Und so ließ man uns in Frieden. Trotz der brodelnden Unruhen im Land, kamen damals viele Pfarrfrauen zu diesem Treffen. Beim Essen war der Speiseraum im Wolkendorfer Heim ganz eng besetzt. Also ganz viele waren wir. Es war ja auch gut, dass wir keine Angst hatten. Wir waren ein bisschen, wie soll ich sagen, blauäugig.
Danke für das Gespräch, liebe Gertrud!
Elfriede Dörr
Zeitleiste: Der Weltgebetstag in Rumänien
1970 Erste Informationen über den Weltgebetstag kamen über die Kontakte von Dr. Maria Elise Klein, Ehefrau des damaligen Bischofs der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien.
1971 feierte ein kleiner Kreis von evangelischen Pfarrfrauen den Weltgebetstag in der Wohnstube der Bischofsfamilie: die einladende Maria Klein, Gertrud Schuller, Helga Pitters und deren Freundin Gudrun Löw. Im Jahr darauf wurde der Weltgebetstag im Rahmen einer Bibelstunde in der Sakristei der Stadtpfarrkirche von Hermannstadt gefeiert.
Ab 1973 fand der Weltgebetstag durch die Pfarrfrauen eine stille Verbreitung in den evangelischen Gemeinden der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Die Vorbereitungen wurden als Geburtstagsfeiern der Bischofsgattin getarnt.
1984 nahm Maria Klein an dem Europatreffen der Weltgebetstagsvertreterinnen in England teil, danach gab sie die Leitung ab.
1987 nahm Helga Pitters als Vertreterin des Weltgebetstages in Rumänien im deutschen Komitee an der 100-Jahr-Feier in New York teil.
1990 lernte die reformierte Pfarrerin Soós Noémi die Weltgebetstagsbewegung in England im Rahmen der Vollversammlung des Ökumenischen Forums Christlicher Frauen in Europa kennen.
1991 feierten die ungarisch sprachigen reformierten Frauen in einigen wenigen Orten den Weltgebetstag. An einzelnen Orten feierten sie zusammen mit Frauen der unitarischen, lutherischen, katholischen Kirche. Den Rahmen dafür gab das frisch gegründete Ökumenische Forum Christlicher Frauen in Rumänien.
1996 gründete Dr. Gerhild Rudolf das Ökumenische Komitee für den Weltgebetstag in Rumänien, an dem Frauen aus der evangelisch-lutherischen, reformierten und unitarischen Kirche, sowie aus der römisch-katholischen, der griechisch-katholischen und orthodoxen Kirche beteiligt waren. Das Landeskomitee koordinierte den Schreibprozess für den Weltgebetstag 2002, der
2000 abgeschlossen wurde, mit Gebetsordnung / Liturgie und dem Begleitmaterial, einer Bibelarbeit, der Landesinformation, der Kindergebetsordnung.
2002 „Zur Versöhnung herausgefordert“ - der Weltgebetstag setzt weltweit Rumänien in den Mittelpunkt.
2006 beendet das Ökumenische Komitee für den Weltgebetstag in Rumänien seine Arbeit.
2009 erscheint das Buch „Lernort Weltgebetstag. Zugänge zum ökumenischen Gebet durch den Weltgebetstag der Frauen“ von Elfriede Dörr, im Kohlhammer Verlag.
2010 übernimmt das Institut für Ökumenische Forschung Hermannstadt die Gebetsordnungen des Weltgebetstages in englischer Sprache und besitzt ein umfassendes Archiv von Weltgebetstagsliturgien.
2019 nimmt das Ökumenische Komitee für den Weltgebetstag seine Arbeit unter dem Vorsitz der ungarischen lutherischen Pfarrerin Papp Noémi wieder auf. Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien wird von Kirchenmusikerin Edith Toth im Vorstand vertreten.
2022 wird Edith Toth, Liaison Person für Rumänien und Europadelegierte, in den Vorstand des Internationalen Komitees gewählt
2025 wird das Jubiläum 50 Jahre Weltgebetstag in Rumänien gefeiert.
Geistlich wachsen
„Ist es nicht erstaunlich, dass gerade Afrikanerinnen aus so vielen Nöten heraus, von denen wir persönlich heute nicht berührt sind - Hunger, Armut, Analphabetentum, patriarchalische Zustände, jetzt das eigene, geistliche, innere Wachstum im Auge haben?
Bei allen menschlichen Errungenschaften bleibt die Frage nach dem Sinn unseres Lebens und Tuns. Sind wir Frauen von unserer Arbeit erfüllt, füllen wir wirklich unsere Aufgabe als Ehefrau und Mutter aus? Werden wir mit unseren Kindern wirklich fertig? Sind wir aber auch selbst gewappnet, wenn uns besondere Nöte betreffen?
Sei fünf Minuten still! Dieses tägliche Stillwerden brauchen wir. Wir müssen hinhören lernen. Dann wird etwas in uns lebendig und dieses Lebendige wird in unser Leben hinein getragen und schenkt uns die rechte Voraussetzung zum geistlichen Wachsen. Es beginnt etwas in uns aufzuleuchten. Es ist die höhere und tiefere Erkenntnis, in deren Zusammenhang ich mein Leben sehe - die Erkenntnis, die über meinem Leben leuchtet.“
Aus der Predigt von Marlene Klein zum Weltgebetstag aus Ostafrika „Geistlich wachsen“ 1979