Feuerprobe und Wiedersehen am Großen Ring

Hermannstadts Töpfermarkt punktet als Kontaktbörse

Töpferin Simona Ivancea kennt sich aus mit der Keramik der „Gumelnițeni“.

Farblose oder bunte Lacke müssen aus Ländern wie Polen oder den USA bestellt werden, stellt Ștefania Neamțu kritisch fest.

Markttag ist für Vitalie und Victoria Parlui Festtag. Fotos: Klaus Philippi

Möchten Sie sich einen Kachelofen mit Mustern aus Siebenbürgen gönnen oder einen großen und traditionsbewusst bemalten Teller an Ihre Wohnzimmerwand hängen, der exemplarisch sichtbar auf seinen gelegentlichen Einsatz warten soll, wie das zünftig bestickte weiße Leinenhemd einer unverwechselbaren Tracht aus Rumänien? Dann könnte der Hermannstädter Töpfermarkt/Târgul Olarilor de la Sibiu Anfang September die geeignete Anlaufadresse sein.

Oder das „Pfauenauge“/„Ochiul de Păun“ Ende August in R²d²u]i, falls die landesweite Spitzen-Keramikmesse „Cucuteni 5000“ Ende Juni im Copou-Stadtpark von Ia{i verpasst worden sein sollte. Was aber, wenn nichts Ansprechendes dabei war? Keine Sorge, denn auch nur einen Plausch über Feinheiten beim Töpfern und Verzieren, worauf nicht zwingend der Handel folgen muss, wissen Kunsthandwerker zu schätzen.

Weil sie spüren und wissen, dass man früher oder später schließlich doch nicht umhin kann, als an ihrem Verkaufsstand unwiderruflich zu wählen und sein Portemonnaie zu zücken, und sei es nicht sofort beim Erspähen erster Blickfänger. Noch ausdauerndere Berufstätige als Rumäniens Töpferinnen und Töpfer sind im ganzen Land sicher nicht leicht zu finden. Etliche nehmen schon morgens um acht Uhr hinter ihrem fertig mit Ware bestückten Tisch das Frühstück ein, um ja nicht frühestmögliche Kundschaft zu versäumen, und halten bis Einbruch der Dunkelheit die Stellung. Ohne Verlassen des Markts trotz Anspruch auf Mittagspause, und immer mit der Aussicht auf das Absitzen von Stunden über Stunden, in denen sich geschäftlich nichts ergeben könnte.

Weit haben sie es nicht nur nach Rădăuți und Iași, sondern häufig auch nach Hermannstadt. Und nicht alle beschäftigen sich nur mit Töpfern, wie zum Beispiel Simona Ivancea aus Bukarest, die einen Lehrgang zur Näherin und Weberin an der Volksschule in Cezieni im Kreis Olt absolviert hat, sich aber immer schon für die Keramik interessierte. „Seit zwölf Jahren fertige ich solche kleinen Repliken von Häusern im Bukarester Dorfmuseum an.“ Ihr Glück, dass man im siebenbürgischen Hermannstadt wie überall im Land zwar von der Hochkultur der „Cucuteni“ gehört hat, jedoch zum Markttermin 2024 am Großen Ring so gut wie gar nichts von ihrer regionalen Vorgängerin namens „Gumelni]a“ weiß, deren Gewohnheiten von den „Cucuteni“ anschließend nur noch verfeinert werden mussten. Die kleinen Tischaltäre aus Tonerde vom Ort Sultana im Kreis Călărași am Ufer des Süßwassersees „Mostiștea“ dafür sprechen gemäß der These von Simona Ivancea bereits die gleiche Sprache des Achtens auf Einzelheiten wie ihre Kopien archäologisch zutage geförderter Skulpturen von Frauen in verschiedenen Lebensphasen von reifer Jugend bis ins hohe Alter, einschließlich des Schwanger-Seins, zur Blütezeit weiblicher Schaffenskraft um das fünfte Jahrtausend vor Christus. „Meiner Überzeugung nach eine matriarchalische Kultur. Kriege hat sie offenbar nicht gekannt, alles war ruhig und friedlich. Gute Bedingungen für weibliche Energien, für Zusammenarbeiten ohne Streit!“ Kurios, dass man erst während Ausgrabungen in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts drauf kam. In ganz Rumänien, so Simona Ivancea auf dem Hermannstädter Töpfermarkt, kenne sich aktuell nur noch eine einzige weitere Person fundiert mit Keramik der „Gumel-ni]eni“ aus.
Ob sie ihre Produkte genauso mit Holzfeuer gebrannt und gehärtet habe wie es damals vor über 6000 Jahren üblich und allein möglich gewesen wäre? Nein, gesteht Simona Ivancea, die aus vorläufigem Erfahrungsmangel einen Kollegen gebeten hat, ihre Haus-Repliken, Tischaltäre und Frauenskulpturen in seinem Elektroofen aushärten zu dürfen. Doch „ich werde mir beim Experimentieren mit direkt in die Erde eingegrabenen Öfen von einem Archäologen helfen lassen, der in Sultana Kurse leitet. In der Kultur der ´Gumelnițeni´ wusste man genau, dass wir am Feuer geboren werden, am Feuer wachsen und sterben“.

Ihre Feuerprobe auf dem Hermannstädter Töpfermarkt bestanden hat auch Stefania Neamțu, Export-Handelsbeauftragte bei Scandia Food und erst seit wenigen Wochen aus dem Mutterschaftsurlaub zurück. Als Töpferin ist sie im Mai laufenden Jahres dem Geschäft beigetreten. „Das Malen hat mich immer schon angezogen. Meine Großeltern stammen aus dem Kreis Vâlcea, wo der Erdboden sehr reich an Lehm ist. Weil man dort Feiertags mit Körben zur Kirche geht, haben wir Kinder damals Körbe aus Lehm geflochten. Hinzu kommt, dass ich mich im vergangenen Winter habe scheiden lassen und die Stunden, die das Kind beim Vater verbringt, mit Lehm und Töpfern ausfüllen wollte.“ Wie ein Teig vor dem Verarbeiten müsse auch Lehm zunächst durchgeknetet werden. Und die auf 1000 oder noch mehr Grad Celsius Backtemperatur einstellbaren Elektroöfen? Klar, im Haushaltswarenhandel nicht erhältlich. „Es gibt einige, die mit Normalstrom betrieben werden können, doch die meisten sind an besondere Starkstrom-Steckdosen anzuschließen. Ich wohne im Block und habe leider keinen eigenen Ofen fürs Töpfern, das wäre bei meinen Wohnbedingungen auch nicht einfach. Ausgeholfen hat mir ein Töpfer aus Hermannstadt, in dessen Atelier mehrere Öfen stehen.“

Und die Zeit, die tönerne Objekte im Ofen verbringen, fällt vielfach länger als die sechs bis sieben für das Brennen nötigen Stunden aus. „Es wird progressiv 1250 Grad heiß und dauert mehr oder weniger 24 Stunden, die bis ausgehärteten Gegenstände aus dem genügend abgekühlten Ofen geholt werden können. Vor Brennbeginn müssen sie ganz trocken sein, sonst können sie reißen. Das Trocknen an der Luft hängt von der Jahreszeit und der Materialdicke ab. Formen mit dünner Wand brauchen jetzt im Sommer etwa zwei Tage, bevor sie in den Ofen dürfen, aber auch das darf nicht zu schnell geschehen. Trocknen die Objekte zu rasch, reißen sie. Deshalb ist es manchmal gut, ein Tuch darüber zu legen. Außerdem gibt es den Trick, eine Kugel Gips, die ständig feucht ist, mit in die Schachtel zu legen, was alle anderen Gegenstände darin monatelang nass und zum Bearbeiten geeignet konserviert. Dann ist es einfacher, sich nach dem Formen einer Tasse mit dem Bemalen und Verzieren oder dem Anbringen ihres Henkels nicht beeilen zu müssen. Ein Henkel muss vor dem Andrücken trocknen, sonst steht er nicht“, klärt Hobby-Töpferin Stefania Neam]u auf.

Japanisch „Raku“ heißt der Brennvorgang für eine Herstellung von Keramik, bei dem weder Gas noch Elektrostrom, sondern nur Holz verbraucht wird. „Bei uns allerdings ist Holz sehr teuer, wobei auch die Stromkosten nicht gering ausfallen“, betont Victoria Parlui aus Chișinău. „Das ist problematisch mit dem Holzfeuer, es erlaubt dir keine feinen Effekte mit den Lacken.“ Ehemann Vitalie bringt es auf den Punkt: „Die Temperatur muss konstant gehalten werden, was mit Holzfeuer schier unmöglich ist.“ Als Profi-Töpfer, deren Ware von Großwardein/Oradea bis Brăila ausgestellt worden ist, über einen Zeitraum von zehn Jahren reihum in ganz Italien gezeigt wurde und es sogar bis nach Amerika geschafft hat, sind Vitalie und Victoria Parlui aus der Republik Moldau in der Tat berechtigt, ihr Handwerk mit dem Elektroofen zu meistern. Anders als ihre Exponate und Erzeugnisse sind sie niemals weit gereist, da es ihren Geldbeutel viel zu stark belasten würde, wie die Töpferin mit extrem fein zeichnender Hand aus dem moldauischen Nachbarland Rumäniens begründet. Stolz auf ihre Reputation beim Hermannstädter Töpfermarkt, dem sie seit sieben Jahren ununterbrochen die Treue halten, sind sie allemal. Außerdem kaufen sie gern Lacke in Schäßburg/Sighi{oara ein, obschon ihnen klar ist, sich auch dort sicher am ausländischen Markt zu bedienen. Die Spannung hingegen, mit der Gäste wie das Künstlerpaar Parlui jährlich neu in Hermannstadt erwartet werden, ist Eigenmarke.