Herausforderung Klimakrise: Wie kann Rumänien „grüner“ werden?

Deutsch-rumänische Expertenrunde im Rahmen der Gesprächsreihe „Sustainability Talks“

Wirtschaftsminister Florin Sp˛taru (2.v.l.) sowie Klimaschutzexpertin Prof. Dr. Barbara Lenz, die Leiterin des EIB-Büros Bukarest, Lara Tassan Zanin, und Adrian M˛rg˛rit, Leiter für strategische Projekte im Stahlunternehmen Liberty bei der Diskussionsrunde
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Wie kann Rumänien nachhaltig „grüner“ werden? Und wie die ökologische Transformation finanzieren und trotzdem wettbewerbsfähig bleiben? Mit diesen Fragen setzte sich eine Diskussionsrunde im Rahmen der Gesprächsreihe „Sustainability Talks“ (Nachhaltigkeitsgespräche) vergangenen Donnerstag in der „Rumänischen Botschaft für Nachhaltigkeit“ in Bukarest auseinander. Eingeladen waren der rumänische Wirtschaftsminister Florin Spătaru (PSD), die Leiterin des Bukarester Büros der Europäischen Investitionsbank (EIB), Lara Tassan Zanin, die deutsche Verkehrs- und Klimaschutzexpertin Prof. Dr. Barbara Lenz und Adrian Mărgărit, Leiter für strategische Projekte im Stahlunternehmen Liberty. Moderiert wurde die Debatte vom Präsidenten und Gründer der „Botschaft für Nachhaltigkeit“, Dragoș Tuță.

Wirtschaftsminister Spătaru betonte, dass schnellstmöglich massive Investitionen zur Dekarbonisierung der rumänischen Wirtschaft notwendig seien, um diese wettbewerbsfähig zu halten. Im Verlauf der Debatte nannte der Minister auch konkrete Projekte, welche die Regierung plant, um die Wirtschaft der Landes zu „vergrünen“. Es brauche keine „ewig langen Strategien, die keiner verstehe“, so Spătaru, man müsse einfach „anfangen und machen“. Zudem verdeutlichte die Gesprächsrunde die Wichtigkeit der Unterstützung der Europäischen Investitionsbank  für Rumänien. Deren Vertreterin, Lara Zanin, merkte an, dass die Rumänen verstehen müssten, dass Investitionen in den Klimaschutz für ihre persönliche Zukunft notwendig seien. Allerdings reichten Investitionen in klimaneutrale Technologien alleine nicht aus, um der Klimakrise Herr zu werden. Nötig sei ein Wandel in der Verhaltensweise der Menschen, so die deutsche Wissenschaftlerin Lenz. Dies betonte auch der Vertreter des Stahlindustriekonzerns Liberty, Adrian Margarit: Jeder Bürger müsse mitwirken und miteinbezogen werden.

Deutschland als Vorbild für Rumänien?

Zu Beginn der Debatte lenkte der Moderator den Blick auf die aktuelle Situation in Deutschland und bat die Expertin mit der längsten Anreise, Prof. Dr. Barbara Lenz, Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Berlin sowie Professorin für Verkehrsgeografie an der Humboldt-Universität Berlin, zu erläutern, inwiefern die deutschen  Maßnahmen gegen die Erderwärmung erfolgreich seien, um damit eine Grundlage für die folgende Debatte zu schaffen. Lenz führte aus, dass Deutschland in Sachen Klimaschutz in den Bereichen Erneuer-bare Energien und Industrie recht erfolgreich sei, jedoch nicht im Verkehrssektor und bei der Gebäudeeffizienz. Das Problem im Verkehrssektor in Deutschland seien hauptsächlich die privaten PKWs, die an Anzahl und Größe stetig zunehmen. Dies führe dazu, dass die verbesserte Energieeffizienz der neuen Autos im Endeffekt wirkungslos bliebe. Bis zum Jahr 2030 müssten die CO2-Emmissionen im Verkehr um mindestens ein Drittel sinken. Dafür würden ihrer Meinung nach in technologischer Hinsicht Millionen von Elektroautos benötigt. Problematisch sei allerdings, dass Elektroautos nicht in ausreichender Zahl verfügbar und zudem sehr teuer seien. Außerdem könne der Staat nicht für alle Ewigkeit die in der Anschaffung teuren Elektroautos subventionieren, wie es bisher in Deutschland geschehe.

Lenz betonte jedoch mehrfach, dass  nicht nur neue Technologien benötigt würden, sondern auch ein Wandel im Verhalten der Menschen: weg vom Auto, hin zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). In Zukunft könne sich die Wissenschaftlerin auch selbstfahrende Autos, integriert im ÖPNV im ländlichen Raum, vorstellen, um das Angebot auch in diesen Regionen attraktiver zu gestalten.

Aktuelle Lage der rumänischen Wirtschaft

Nach der Erläuterung der Erfolge und Probleme in Deutschland fiel der Blick auf die Situation in Rumänien. Wirtschaftsminister Spătaru (PSD) betonte, dass Rumäniens Wirtschaft auf dem System des gegenseitigen Wettbewerbs basiere und daher massive Investitionen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft notwendig seien, damit das Land auch in Zukunft konkurrenzfähig bleibe. Er betonte, dass diese „grünen“ Investitionen im Rahmen der Corona-Wiederaufbauhilfen der Europäischen Union (EU) massiv getätigt werden sollen, was prinzipiell positiv sei. Die aktuelle Lage der rumänischen Wirtschaft bezeichnete Sp˛taru als besser als in anderen Ländern. Die hohen Energiepreise und die Sanktionen gegen Russland machten Rumänien jedoch schwer zu schaffen. Wichtig sei, den rumänischen Unternehmen eine längerfristige Perspektive und Sicherheit aufzuzeigen, da Unternehmen in ihrem Geschäftsmodell langfristig planen können müssen. Der Minister betonte, dass es zwar wichtig sei, jetzt Maßnahmen gegen die Erderwärmung zu ergreifen, jedoch müsse auch deren Finanzierung geklärt sein. Außerdem müsse immer der gesamte Produktionsprozess betrachtet werden, denn alles im Kreislauf müsse nachhaltig sein, ansonsten würden die Klimaschutzziele wieder nur teilweise erreicht. In Rumänien müsse ein besonderes Augenmerk auf der Autoindustrie liegen, welche 28 Prozent des rumänischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschafte.

Konkrete Pläne des Wirtschaftsministers

Anschließend führte Sp˛taru seine Pläne für die ökologische Transformation der rumänischen Wirtschaft aus. Es solle massive staatliche Investitionen in eine „Mega“-Batteriefabrik geben. Einzelheiten wollte der Minister auf Nachfrage nicht nennen. Außerdem sei geplant, die Forschungszusammenarbeit mit rumänischen Universitäten auszubauen. Des Weiteren solle in einigen Wochen ein Pilotprojekt starten, welches untersuche, inwiefern Wasserstoff in Zukunft als Ersatz für fossile Energieträger dienen kann. Als wichtiges Ziel bezeichnete Sp˛taru zudem eine „grüne“ Stahlindustrie. Dies erfreute insbesondere den Repräsentanten des Stahlunternehmens Liberty, welcher anmerkte, dass die Stahlindustrie in Rumänien ungefähr 5 Prozent des BIP ausmache und (z.B. durch das Werk in Galatz) ein großer Arbeitgeber sei.

Stahl muss „grüner“ werden

Das Thema „grüner“ Stahl wurde anschließend genauer behandelt. Margarit erläuterte die „Green Steel“ Strategie seines Unternehmens Liberty, welche zur klimaneutraleren Stahlproduktion bis zum Jahr 2030 führen soll. Vollständig klimaneutral funktioniert die Stahlproduktion offensichtlich doch nicht, da die Strategie laut Margarit nur eine Reduktion der CO2-Emmissionen um 30 Prozent vorsieht. Dies sei sehr ambitioniert und mit großen Investitionen verbunden. In Rumänien möchte das Unternehmen ungefähr eine Milliarde Euro für die Transformation investieren. Ziel sei, anstelle von fossilen Energieträgern künftig Wasserstoff und Strom im Produktionsprozess zu verwenden. Daher seien auch massive Investitionen in die erneuerbaren Energien in Rumänien nötig, hauptsächlich in Photovoltaikanlagen und Windräder.

Rolle der Europäischen Investitionsbank

Eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Erderwärmung in Rumänien spielt die Europäische Investitionsbank (EIB). Die Bank betreibt in Bukarest eines ihrer größten Regionalbüros weltweit und versteht sich laut der Leiterin der Bukarester Niederlassung der EIB, Lara Tassan Zanin, als Klimabank. Wohingegen früher große Infrastrukturprojekte in den Bereichen Straßenverkehr und Erdgas mitfinanziert wurden, werden seit Beginn dieses Jahres nur noch CO2-neutrale Projekte finanziert. Die EIB nehme jedoch nicht nur bei der Finanzierung von Projekten in Rumänien eine wichtige Rolle ein, sie unterstütze den gesamten Projektprozess von der Planung bis zum Projektabschluss mit umfassender Beratung durch Experten, so Zanin. Die Bank ist dabei im öffentlichen und privaten Sektor tätig, schließlich müssen auch beide Sektoren klimaneutral werden. Gerade hier sieht die Bankerin die größten Probleme in Rumänien, die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft sei noch ausbaufähig. Zanin betonte, dass gerade für die Privatwirtschaft die EIB höchst inte-ressant sei, da Unternehmen auf dem freien Markt teilweise Probleme hätten, Kredite für nachhaltige Projekte zu erhalten, da diese als „riskant“ angesehen werden würden.

Projekte der EIB

Einer der größten Kunden der EIB in Rumänien ist laut Aussage von Zanin das halbstaatliche Unternehmen Transgaz, mit welchem die Bank schon lange zusammenarbeite. Im Mai wurde ein neuer Vertrag mit dem Unternehmen geschlossen. Ziel des neuen Projekts sei, Erdgas und Wasserstoff künftig in den Gaspipelines zu mixen. Hierfür müssen die Pipelines modifiziert werden, was die Bank subventioniere. Normale Gaspipelines fördere die EIB nicht mehr, da Gas als Energieträger langfristig ausgedient habe.

Des Weiteren arbeitet die Bank der EU mit dem staatlichen  Unternehmen Transelectrica zusammen. Dadurch solle das Problem der Bottlenecks (Engpässe) im rumänischen Stromnetz gelöst werden. Diese Engpässe im Stromnetz begrenzen die örtlich verfügbare Stromkapazität und schrecken Investoren ab, in Rumänien aktiv zu werden, so Zanin.

Außerdem wies die Leiterin der Bukarester Niederlassung der Bank auf die in den vergangenen Jahren geleistete Unterstützung zur ener-getischen Sanierung von Wohngebäuden in den Sektoren 1, 2, 4 und 6 in Bukarest hin, die nun abgeschlossen sei. Durch die Sanierungen seien die Energiekosten für die Bewohner massiv gesunken.

Zanin verwies im Hinblick auf die steigenden Energiepreise da-rauf, dass Investitionen in eine energetische Gebäudesanierung die Menschen vor der Instabilität des Energiemarktes schütze. Die Rumänen müssten verstehen, dass diese Investitionen für ihre persönliche Zukunft notwendig seien.

Beste Herangehensweise für größte Wirkung

Die Gesprächsrunde endete mit einem Austausch darüber, wie es am besten gelinge, die Gesellschaft zu Maßnahmen für den Klimaschutz zu bewegen und wie eine möglichst breite Akzeptanz für solche Maßnahmen geschaffen werden könne.

Barbara Lenz merkte an dieser Stelle an, dass Klimaschutzziele nicht in zu weiter Ferne liegen sollten. Es bringe nichts, wenn Ziele für 2040 oder 2050 gesteckt würden, da konkrete Maßnahmen dann stets aufgeschoben würden. Bei Zielen bis beispielsweise 2030 wäre hingegen klar, dass sofort gehandelt werden muss. Zudem merkte sie an, dass die Maßnahmen schrittweise verschärft werden sollten und nicht plötzlich „mit der Brechstange das Leben der Menschen total verändern“. Als Erfolgsbeispiel nannte sie die französische Hauptstadt Paris, wo im Rahmen der Klimaschutzmaßnahmen Straßen für den Autoverkehr gesperrt wurden. Anfangs seien gewisse Straßen nur am Wochenende gesperrt gewesen, anschließend wurden die Sperrungen auf die ganze Woche ausgedehnt. Die Verkehrsexpertin merkte zudem an, dass deutlich mehr Radwege notwendig seien, um die Akzeptanz des ÖPNV zu steigern. Dann könnten die Menschen nämlich mit dem Fahrrad bis zur nächsten Bahnstation fahren.

Um Klimaschutz in Unternehmen voranzutreiben, sei es besonders wichtig, die Mitarbeiter einzubeziehen und auch auf dem Laufenden zu halten, damit keine Unsicherheiten bei den Beschäftigten entstünden, betonte Adrian Margarit von Liberty. Schlussendlich müsse nämlich jeder Bürger mitwirken, um den Planeten zu schützen.

Lenz betonte auch, dass es nicht ausreiche, wenn auf nationaler Ebene Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel getroffen würden, jede Kommune – auch die kleineren - müsse ebenfalls mitwirken. Hierfür sei es hilfreich, wenn jede einen Klimaschutzbeauftragten in der Stadtverwaltung hielte, der für konkrete Maßnahmen verantwortlich ist und auch als Ansprechpartner dient. Einen solchen Beauftragten gebe es beispielsweise in der Kleinstadt Lugoj im Kreis Temesch.