Betritt man ein Reisebüro, um sich einmal etwas Exotisches zu gönnen - eine Kreuzfahrt zum Beispiel, auf einem der schönen, weißen Schiffe, welche immer an den Wänden der Reiseagenturen hängen, so macht man es meistens mit dem Gedanken an weite, menschenleere Strände, blaue kristallklare See und schlanke Palmen. Doch es muss nicht immer Südsee sein - es gibt auch Routen in kühlere Gegenden, die ebenso erholsam und interessant sein können. Manchmal läuft sogar ein eisiger Gletscher dem schneeweißen Badestrand den Rang ab...
Der Mendenhall Gletscher befindet sich etwa 21 Kilometer vom Stadtzentrum Juneaus, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Alaska, entfernt. Nach Juneau gelangt man mit mehreren der Kreuzfahrtschiffe, die die östliche Seite des Nordpazifiks befahren. Im Hafen von Juneau legen täglich mehrere davon an und ab, für Aufenthalte von mindestens einem Tag, oft sind es drei-vier Schiffe zeitgleich mit je über 1000 Urlaubern an Bord.
Viele Wege durch das Naturreservat
Einmal von Bord gegangen, hat man die Wahl zwischen den städtischen Buslinien, welche bis zu dem Parkplatz des Reservats fahren, oder einem nur wenig teureren Direktbus, der dieselbe Strecke bedeutend schneller zurücklegt. Von da aus führen drei fast gleichlange Routen zu dem Naturreservat, das sich an einem See befindet, welcher durch stetige Eisschmelze des Mendenhall Gletschers entstanden ist und weiterhin gespeist wird. Die Wege verlaufen entweder direkt am Seeufer entlang, durch einen kleinen Tannenwald oder über eine kleine Erhöhung. Die Spazierwege am See sind bestens gekiest und beschildert. Neben diesen gibt es noch mehrere Wanderwege durch das Reservat. Von der Stelle am Ufer, wo sich die Wege treffen - eine Landzunge gegenüber dem Gletscher – eröffnet sich dann der Ausblick auf den Gletscher selbst sowie auf den Wasserfall, der unter diesem hervorkommt.
Ursprünglich Auke-Gletscher genannt, ist der heute in Mendenhall umgetaufte Gletscher nur einer der Ausläufer des fast 4000 Quadratkilometer großen Juneau Eisfeldes, eine eisblaue Fläche, umgeben von einer Kette wild gezackter Berge, deren Spitzen stellenweise dreitausend Meter überschreiten. Der Ausläufer von 67 Metern Höhe und 2,4 Kilometern Breite ist nur eines der sich langsam bewegenden Abschnitte des Eisfeldes, ebenso wie Taku, Eagle, Herbert und 38 weitere große Eiszungen. Neben diesen gibt es noch über 100 kleinere, die meisten davon namenlos.
Aus der Gletscherforschung
Durch die hier herrschenden klimatischen Bedingungen, aber auch durch die sehr geringe Luftverschmutzung, leiden die Gletscher viel weniger als andere - zum Beispiel im europäischen Hochgebirge - an Masseverlust. Der Mendenhall Gletscher geht nur 10 bis 15 Meter jährlich zurück, ein Wert, der fast an der Grenze der Messgenauigkeit liegt. Er ist jedoch heute sichtbar kleiner als zur Zeit der ersten Forschungsreisenden, die ihn Mitte des 18. Jahrhunderts sahen, d.h. heute liegt er um etwa 800 Meter weiter zurück. Die Eiskappe der Region erstreckt sich nach Osten über die Boundary Rangesbis in die kanadische Provinz British Columbia, nach Norden bis nach Skagwayund an die Grenze zu Yukon. Den südlichen Abschluss bildet das Taku Inlet, das bei Point Arden in die Stephens Passagemündet.
Die gesamte Eisregion befindet sich heute unter Beobachtung und kontinuierlicher Messung. So entdeckte man zum Beispiel dass der Taku der einzige größere Gletscher ist, der heute noch weiterhin wächst. Den Gletscher benannte 1892 US-Präsident Harrison zu Ehren des amerikanischen Wissenschaftlers Thomas Corwin Mendenhall (1841–1924), der von 1889 bis 1894 als Superintendent der US Coast and Geodetic Survey arbeitete und die Grenzziehung zwischen dem gekauften Bundesstaat Alaska und Kanada überwachte, in Mendenhall-Gletscher um.
Blick aus sicherer Ferne oder hautnah erleben
Sein Eis an der Kante ist mindestens 150 Jahre alt. Der Gletscherfluss hat eine Länge von knapp 20 Kilometern, die Gletscherzunge ist am Gletschersee, dem Mendenhall Lake, 30 Meter hoch und zwei Kilometer breit. Der angrenzende Mendenhall Lake ist bis zu 60 Meter tief. Auf ihm kann man mit Paddelbooten hinausfahren, doch sollte man acht geben, da öfters Teile des Gletschers in den See fallen, wenn der Gletscher kalbt, und so etwas mächtig spritzt. Die Eisblöcke schwimmen dann im See, bis sie schmelzen, was die konstant niedrige Temperatur des Wassers erklärt.
Man kann den Verlauf des Gletschers auch in seinem oberen Teil sehr gut verfolgen. Neben einem Visitor-Center (Eintritt 3 US-Dollar!) befinden sich hier mehrere Aussichtsterrassen und -punkte. Von den Aussichtsterrassen ist der Gletscher noch etwa 500 Meter entfernt.
Sollte nun der europäische Urlauber eine Terrasse mit einer Gaststätte erwarten oder irgendwo Stände mit heißem Kaffee oder Popcorn, so irrt er sich: Die Regelungen für Naturreservate sind sehr streng und werden sogar angewandt! Dafür aber gibt es das, was man manchmal anderswo sehr vermisst: gute Informationen - hier ist es ein Mendenhall Museum, Souvenirs und nicht billiger Kitsch, ebenso aber die mittlerweile weltweit verbreiteten Magnete für den Kühlschrank daheim.
Für Abenteuerlustige gibt es außer diesem Spaziergang und der einmaligen Aussicht auf den See und den Gletscher noch eine Steigerung: einen Flug im Helikopter und eine Hundeschlitten-Tour . Während des Fluges genießt man eine spektakuläre Aussicht aus der Vogelperspektive auf die schneebedeckten Berggipfel, bis zu dem Hundeschlitten-Camp oben auf dem Gletscher selbst. Hier kann man einen von Huskies gezogenen Schlitten mieten und die freundlichen Vierbeiner einfach loslaufen lassen. Sie kennen die Tour schon auswendig.