Zwischen Himmel und Meer

Eine Woche auf Zakynthos, dem Paradies für Menschen und Schildkröten

Der Gerakas-Strand ist Teil des Nationalen Meeresparks von Zakynthos und dient als Brutplatz für die gefährdete Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta).

Unterwegs zu den Blue Caves – das türkisfarbene Meer ist nirgends schöner als in Griechenland. Die Bootsfahrt mit Ionuț Popa ist das Highlight der Reise. Vom Boot aus sehen wir die Cameo Island, ein wahres Juwel für Naturliebhaber, Romantiker und Fotografen. Fotos: die Verfasserin

Die Kinder machen den Weg frei für die kleine Schildkröte, die gerade am Strand von Gerakas aus dem Ei geschlüpft ist.

Der Internationale „Traian Vuia“-Flughafen in Temeswar/ Timi{oara ist teilweise noch in Schlaf gehüllt, als wir mit unseren Kindern die Abflughalle betreten. Über uns brummt das Neonlicht, im Rucksack raschelt eine Tüte mit belegten Broten, die am Ende doch keiner essen wird. Um 6 Uhr früh hebt die Maschine von Animawings ab – ein kleiner Airbus, der uns in etwa anderthalb Stunden ins Blau des Ionischen Meeres trägt. Vier Tickets, 900 Euro, doch schon beim Start fühlen wir, dass es mehr ist als eine Reise: Es ist eine Lektion fürs Leben.

Die Kinder kleben mit den Stirnen an den Fensterscheiben, als wir die Wolkendecke durchstoßen. Unter uns erstreckt sich das Meer, türkis, unendlich. „Da, da ist schon die Insel!“, ruft mein Sohn, als ein grüner Fleck im Wasser auftaucht. Kurz da-rauf setzt das Flugzeug auf der griechischen Insel Zakynthos auf – eine Landung ins Licht.

Am Ausgang wartet unser Mietwagen, 300 Euro für eine Woche. Der Mann von der Autovermietung „Triodi“, Dimitris, drückt uns den Schlüssel in die Hand und sagt lachend: „Hier braucht ihr keine Uhr, nur einen Kompass.“ Das stimmt: Schon nach wenigen Kilometern verlieren wir das Gefühl für Zeit. Die Straße führt in Serpentinen zu unserer Unterkunft in Vasilikos, unser Zuhause für die ganze kommende Woche. Im Verkehr ist Vorsicht geboten, denn viele Fahrer schneiden die Kurven scharf an, während Quad-Fahrer oft viel zu schnell unterwegs sind. Von Polizei ist auf der Insel keine Spur. 

Unser Quartier heißt „Andriani & Michlis Studios“, eine schlichte Unterkunft – sieben Nächte für 626 Euro, über „Booking“ etwa ein halbes Jahr im Voraus gebucht. Von unserem Balkon blicken wir über Olivenhaine, hören das Zirpen der Zikaden und sehen in der Ferne die Umrisse des Meeres. Nur 10 Minuten zu Fuß von unserer Unterkunft entfernt befindet sich ein kleiner Steinstrand, Porto Roma, an dem wir am Tag unserer Ankunft einen Kaffee trinken. Die Kinder wollen allerdings vor allem im Sand herumtoben, wenn wir am Meer sind. Porto Roma ist also eher für Erwachsene zu empfehlen.

Am nächsten Morgen, kaum, dass die Sonne aufgegangen ist, stehen wir schon am Strand von Gerakas. Der Sand ist noch kühl, der Himmel zartrosa. Plötzlich regt sich etwas vor unseren Füßen: zwei winzige Schildkröten schlüpfen aus dem Sand. Die Kinder halten den Atem an, knien nieder und streichen vorsichtig den Weg zum Wasser glatt. Mit unbeholfenen Bewegungen robben die kleinen „Caretta caretta“ Richtung Meer, angezogen von der Helligkeit am Horizont. Der Moment ist still, fast sakral. Wir wissen: wir sehen etwas Einmaliges im Leben. Als die ersten Wellen die winzigen Körper umspülen, jubeln die Kinder – und schweigen gleich wieder, ergriffen von einer Ehrfurcht, die Worte überflüssig macht. So ein Wunder hatten wir bis dann nur im Fernsehen, auf „Animal Planet“ gesehen.

Kurz vor Mittag besuchen wir das Schutz- und Informationszentrum für die Caretta-Caretta-Schildkröten, die hier seit Jahrtausenden ihre Nester anlegen. Im kleinen Museum erfahren wir, wie empfindlich ihr Lebensraum ist und wie streng die Strände während der Brutzeit geschützt werden. Besonders beeindruckt uns eine Zahl: Von tausend geschlüpften Schildkröten schafft es im Schnitt nur eine einzige bis ins Erwachsenenalter, um selbst wieder Eier zu legen. Diese Erkenntnis macht jede Begegnung mit den Tieren noch wertvoller – und erklärt, warum der Schutz dieser faszinierenden Meeresbewohner so wichtig ist.
Doch die Ionische Insel Zakynthos ist nicht nur Natur, sondern sie ist auch Geschichte und Atmosphäre. Nach mehreren Tagen Sonnenbaden an den unterschiedlichsten Stränden ist es Zeit, auch mal was anderes zu sehen. In Zakynthos-Stadt spazieren wir durch venezianische Gassen, essen Loukoumades – kleine, süße Teigbällchen – und lauschen dem Klang der Glocken von Agios Dionysios. Im Norden der Insel liegt das Kloster Anafonitria, wo die Wände nach Weihrauch riechen und Kerzenflammen flackern. Und immer wieder diese Strände, so unterschiedlich wie die Stimmungen der Insel: der berühmte Navagio-Strand, wo das Wrack eines alten Schmugglerschiffs im weißen Sand liegt; Dafni Beach, ruhig, naturbelassen, mit Tavernen, die den frischesten Fisch auf den Teller bringen; Banana Beach, ein Hotspot für Wassersportler; die Partymeile Laganas. 

Doch der Tag, an dem wir Ionu] Popa treffen, wird zum eigentlichen Höhepunkt unseres Zakynthos-Aufenthaltes. Ionu], ein junger Rumäne aus Râmnicu Vâlcea mit wettergegerbter Haut und wachen Augen, lebt seit 2006 auf der Insel und bietet für Touristen Bootsfahrten an. Über ihn haben uns andere Rumänen erzählt, die wir am Tag unserer Ankunft am Strand getroffen haben. Er empfängt uns am kleinen Hafen Agios Sostis, sein Boot schaukelt sanft im Wasser. „Zakynthos zeigt sein Herz nur vom Meer aus“, sagt er, während er die Leine löst. „Ich werde euch heute etwas ganz Besonderes zeigen“. Die dreistündige Bootsfahrt kostet 40 Euro für Erwachsene, während Kinder zum halben Preis mitfahren dürfen.  

Wir fahren zuerst nach Cameo Island, eine winzige Insel, die durch eine schmale Holzbrücke erreichbar ist – fast wie eine Bühne im Meer. Dann weiter nach Marathonisi, die „Schildkröteninsel“. Von Weitem sieht sie aus wie eine schwimmende „Caretta caretta“. Das Wasser ist so klar, dass wir den Schatten unserer Körper auf dem Grund sehen. Beim Schnorcheln tauchen wir zwischen Felsen, entdecken Schwärme von bunten Fischen. Die Kinder stoßen Schreie der Freude aus, wenn Ionu] mit seinem Boot so richtig Gas gibt. Laute Musik ertönt aus den Lautsprechern. 

Schließlich erreichen wir die Blue Caves, die blauen Höhlen. Das Boot gleitet in Höhlen, deren Wände das Licht brechen und in ein fast unwirkliches Blau verwandeln. Wir springen ins Wasser, lassen uns treiben. „Das ist das echte Zakynthos“, ruft Ionu] und bietet den Mitfahrenden an, Fotos zu schießen. „Hier ist das Meer 30 Meter tief“, sagt er. Wir gucken über den Bootsrand und sehen den Meeresboden, so klar ist das Wasser des Ionischen Meeres. 

Am Ende der Bootsfahrt steuern wir wieder Agios Sostis an. Dort, im Boot, sehen wir einen Fischer. Er lockt mit Fischresten eine riesige Karettschildkröte an, ein Tier, das wohl 80 Jahre alt sein mag, wie Ionu] zu wissen meint. Die Kinder stehen sprachlos am Bootsrand, als das Wesen – eine Mischung aus Master Oogway und der Schildkröte aus „Finding Nemo“ – auftaucht und mit kräftigen Flossenschlägen nach Futter sucht. Doch Ionu] schüttelt den Kopf. „Es sieht schön aus, aber es ist gefährlich“, erklärt er leise. „Die Tiere gewöhnen sich an Boote. Viele sterben, weil sie in den Propellern der Glasbodenboote landen.“ Sein Blick geht hinaus aufs offene Meer, ernst und traurig. „Wir Menschen vergessen oft, dass unsere Nähe auch Zerstörung bedeutet.“ 

Auch kulinarisch begeistert uns Zakynthos. In Vasilikos, wo wir untergebracht sind, kehren wir fast täglich ein – etwa in der Taverna Tirodi, bei Nikos oder in der kleinen Taverne mit den bunten Flaggen unweit der Straße, die zu Porto Roma führt. Am liebsten bestellen wir uns ein Souvlaki, das es schon für 3 bis 4,50 Euro gibt – frisch gegrillt, saftig und einfach köstlich. Doch auch die klassische Moussaka, zartes Lamm aus dem Ofen, sowie Fisch und Meeresfrüchte, direkt aus dem Ionischen Meer, landen regelmäßig auf unseren Tellern. Jede Mahlzeit ist ein Stück griechische Gastfreundschaft – einfach, herzlich und voller Geschmack.

Am letzten Abend, als die Sonne über dem Gerakas-Strand versinkt und das Meer in Gold taucht, schweigen wir. Die Kinder haben noch Sand an den Händen, das Bild der winzigen Schildkröten im Herzen – und jetzt auch das der alten, verletzlichen Kreatur, die sie nur wenige Tage zuvor im Hafen von Agios Sostis bewundern durften. Vielleicht ist das die wichtigste Lektion dieser Reise: dass Schönheit und Verantwortung untrennbar zusammengehören.

Sieben Tage auf Zakynthos gehen zu Ende. Zurück bleiben salzige Haut, 50 Nuancen Blau – und die Gewissheit, dass eine Insel wie diese nicht nur Urlaub schenkt, sondern Geschichten, die wir für immer behalten.