Das Arbeitsrecht entzieht sich traditionell weitgehend der Harmonisierung durch das EU-Recht – was die teils erheblichen Unterschiede zwischen dem rumänischen und etwa dem deutschen Arbeitsrecht erklärt. Gleichwohl lässt sich ein klarer Trend zur Europäisierung erkennen: unionsrechtliche Impulse prägen zunehmend auch nationale Regelungen. Neue Vorschriften und praktische Entwicklungen dürften den Arbeitsalltag in Unternehmen spürbar verändern – in Rumänien ebenso wie andernorts. Welche praxisrelevanten Themen prägen derzeit die arbeitsrechtliche Agenda Europas?
Entgelttransparenz-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970)
- Zweck: Stärkung des „Grundsatzes des gleichen Entgelts“ für Männer und Frauen
- In Kraft: 6. Juni 2023.
- Umsetzungsfrist: 7. Juni 2026
- Betroffen: Arbeitgeber aller Größen, ab einer Belegschaft von 100 Berichtspflichten
- Transparenzpflichten:
– Gehaltsspannen für Stellen sind bei der Ausschreibung offenzulegen
– Auskunftsrecht für Beschäftigte über ihre Entlohnung und die durchschnittlichen Entgelthöhen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Arbeitnehmergruppen mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit
– Regelmäßige Gender-Pay-Gap-Berichtspflichten für größere Unternehmen - Schadensersatz- und Nachzahlungsansprüche der Mitarbeiter bei Verstoß
- Zudem abschreckende Geldbußen
- Beweislast: Arbeitgeber muss im Zweifel Nichtvorliegen einer Diskriminierung nachweisen
- Mitgliedstaaten müssen Gleichstellungsstellen und Kontrollmechanismen regeln
Plattformrichtlinie (Richtlinie (EU) 2024/2831 zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit)
- Zweck: Faire Arbeitsbedingungen für Personen, die über digitale Plattformen (Ridesharing, Delivery, etc.) tätig sind, Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit und Intransparenz im algorithmischen Management, Datensicherheit.
- In Kraft: 11. November 2024.
- Umsetzungsfrist: 2. Dezember 2026
- Plattformbeschäftigte gelten widerlegbar als Arbeitnehmer, wenn Tatsachen, die auf Steuerung und Kontrolle durch die Plattform hindeuten, vorliegen
- Offenlegungspflicht über die Funktionsweise automatisierter Systeme (Auftragszuweisungen, Sperren, Bewertungen etc.). Einschneidende Entscheidungen dürfen nicht vollautomatisch getroffen werden
- Sichere Kommunikation, rechtliche Unterstützung bei Streitigkeiten und Gesundheits- bzw. Arbeitsschutzmaßnahmen für Plattformarbeiter
- Geldbußen obliegen Mitgliedsstaaten. Müssen aber abschreckend sein
Neue EBR-Richtlinie (Überarbeitung der Richtlinie 2009/38/EG über Europäische Betriebsräte)
- Stärkt die Rolle bzw. die Rechte Europäischer Betriebsräte (EBR). EBR sind in multinationalen Unternehmen zu bilden und bei grenzüberschreitenden Angelegenheiten einzubinden. Die alte Fassung war u. a. wegen schwerer Durchsetzbarkeit und unzureichenden Sanktionen kritisiert worden.
- Noch nicht in Kraft, am 9. Oktober im Parlament angenommen.
- Neuregelungen:
– Erweiterung der Maßnahmen, die EBR-Einbindung erfordern (u. a. auf rein nationale Maßnahmen mit Auswirkungen auf andere Länder)
– Anhörung wird verbindlicher: begründete Antwort der Geschäftsleitung auf EBR- Stellungnahme vor Entscheidung erforderlich
– Frist zur Verhandlung über die EBR-Vereinbarung auf 18 Monate verkürzt (danach EBR kraft Gesetzes gegründet)
– Sitzungen künftig öfter (zweimal pro Jahr)
– Stärkung des Teilnahmerechts von Sachverständigen; Informationen schwerer als vertraulich einstufbar
– Unternehmen trägt Kosten für Rechtsverfahren i. Z. m. EBR
– Bußgelder künftig empfindlich: bis 20 Millionen Euro oder bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes (früher oft eher symbolisch)
Mindestlohnrichtlinie „auf dem Prüfstand“
Die Richtlinie (EU) 2022/2041 über angemessene Mindestlöhne gilt seit dem 19.10.2022 und war 2024 umzusetzen – wir berichteten bereits darüber. Gegen die Richtlinie wurde jedoch Nichtigkeitsklage erhoben; das Verfahren vor dem EuGH ist weit fortgeschritten. In seinen Schlussanträgen vom Januar 2025 plädierte der Generalanwalt für eine vollständige Nichtigerklärung, im Grundsatz wegen Kompetenzüberschreitung. Das Urteil wird noch 2025 erwartet – und dürfte für die künftige Ausgestaltung nationaler Mindestlohnregelungen maßgeblich sein.
Relevant für Rumänien: Tarifverhandlungen
Die Mindestlohnrichtlinie bezweckt zusätzlich die Förderung von Tarifverhandlungen. Mitgliedstaaten sollen Maßnahmen zur Erhöhung der Tarifbindung ergreifen, insbesondere wenn diese (wie in Rumänien) 80 Prozent unterschreitet. Rumänien hat eine solche Regelung bereits in das Arbeitsgesetzbuch aufgenommen; eine Strategie zur Förderung der Tarifverhandlungen ist in Arbeit. Wir erwarten die ersten praktischen Ergebnisse in Kürze.
Fazit
Das EU-Recht bleibt in Bewegung: Transparenz, Verantwortung, Compliance und Rechtsdurchsetzung prägen die Agenda. 2026 ist mit spürbar mehr Compliance- und Organisationsaufwand für Unternehmen zu rechnen – teils verbunden mit einem Paradigmenwechsel, etwa bei der Vertraulichkeit der Gehälter. Auch im Arbeitsrecht ist EU-Recht längst ein entscheidender Faktor: Arbeitgeber sollten kommende Vorgaben aufmerksam verfolgen und frühzeitig reagieren.
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