Vergangenen Freitag ging im brasilianischen Rio de Janeiro der UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung „Rio+20“ zu Ende. Vertreter von Organisationen, Regierungen und Expertengremien diskutierten zwei Tage lang über zukünftige soziale und ökologische Herausforderungen. Am Ende stand eine 50-seitige Abschlusserklärung mit dem verheißungsvollen Titel „Die Zukunft, die wir wollen“. Doch wie man es von solchen Veranstaltungen mittlerweile gewohnt ist, werden kaum konkrete Vereinbarungen getroffen. Umweltverbände sprachen deshalb von einem „kolossalen Scheitern“. Gipfelveranstalter und offizielle Teilnehmer sahen einen „Schritt in die richtige Richtung“, aber auch nicht viel mehr. Einige Eckpunkte des Abschlussdokuments markieren dennoch Fortschritte und zeigen zumindest den guten Willen der Weltgemeinschaft, sich zu einer „grüneren Wirtschaft“ zu bekennen.
Die kluge Einsicht, dass Wirtschaftswachstum alleine noch keine Probleme löst, stand im Mittelpunkt der Konferenz. „Rio+20“ thematisierte überraschend deutlich die Bedenken der Sozial- und Wirtschaftsforschung, dass alleine ein steigendes Brutto-Inlandsprodukt (BIP) in Entwicklungs- und Schwellenländer noch nicht für bessere Lebensumstände und mehr Wohlstand sorgt. Viel wichtiger ist laut Experten die sozio-ökonomische Gleichheit innerhalb der Bevölkerung. Um auf Basis dieser Erkenntnis die zukünftige Entwicklung benachteiligter Erdteile optimieren zu können, wurde im Abschlussdokument eine intensivere Zusammenarbeit zwischen der UN-Statistikkommission und anderen internationalen Einrichtungen, wie z. B. dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und Eurostat, verankert. Zweck der Zusammenarbeit soll die verstärkte Erfassung und Bereitstellung von wissenschaftlich nachvollziehbaren Daten sein, beispielsweise in Form von universell nutzbaren Indizes.
Eine weitere getroffene Vereinbarung betrifft die Einführung eines Zehn-Jahres-Rahmens für nachhaltiges Beschaffungswesen im öffentlichen Sektor. Über 30 Regierungen erklärten sich bereit, einer „International Sustainable Public Procurement Initiative“ (SPPI) beizutreten, durch die öffentliche Ausgaben zunehmend in Güter und Leistungen fließen sollen, die einen maximalen sozialen und ökologischen Nutzen bringen. Vorgestellte Studien zeigen, dass öffentliche Aufträge, die fast 20 Prozent der Brutto-Inlandsprodukte der OECD-Länder ausmachen, beträchtliche Fördermöglichkeiten für nachhaltige Innovationen bieten. Anhand von Beispielen wurde dargestellt, wie Indien, Brasilien, Japan oder auch Europa mit Projekten dieser Art voranschreiten. Doch nicht nur der öffentliche, sondern auch der private Sektor soll in Zukunft verstärkt in die Pflicht genommen werden. Nach einem auf der Konferenz vorgestellten Bericht des Nachrichtenunternehmens Bloomberg können nur etwa 25 Prozent von 20.000 überprüften Unternehmen ökologisch und sozial nachhaltige Agenden nachweisen. Bei erschreckenden 75 Prozent sind derartige Überlegungen kaum vorhanden. Die kontinuierliche Erfassung der Bemühungen multinationaler Unternehmen in Bezug auf nachhaltige Entwicklung soll daher intensiviert werden, sind sich die Konferenzteilnehmer einig. Bei mehr Transparenz seien Investitionen leichter in nachhaltige Projekte zu lenken.
Der konkreteste Beschluss der Konferenz betrifft das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) selbst. In Rio wurde eine Aufwertung der in Kenia ansässigen Organisation vereinbart. Die EU werde sich nun in der UN-Vollversammlung dafür einsetzen, dass das UNEP zur vollwertigen UN-Umweltorganisation (UNEO) umgewandelt wird. Die derzeit begrenzte Mitgliedschaft von 58 Staaten würde danach auf eine universelle Mitgliedschaft aller in der UN-Vollversammlung vertretenen Länder ausgedehnt. Zudem würden die finanziellen Mittel aus dem UN-Budget aufgestockt.
Diese Eckpunkte umreißen die konkreten Beschlüsse der Konferenz. Den Umweltorganisationen gehen die Vereinbarungen naturgemäß nicht weit genug, während sich Regierungen selten auf konkrete Zusagen einlassen. So geteilt die Reaktionen auch ausfielen, das Gipfeltreffen, dem über 100 Staats- und Regierungschefs beiwohnten, steht immerhin für langsamen Fortschritt und ein eine anhaltende Debatte. Das verabschiedete Dokument soll die Grundlage für eine Neuauflage der „Millennium-Entwicklungsziele“ sein, die in den Jahren 2000 bis 2015 als Leitfaden für die weltweite, nachhaltige Entwicklung dienten. Bis zur Konkretisierung der neuen Ziele werden noch viele Verhandlungsrunden vergehen. Die Konferenz in Rio wird folglich nicht die letzte gewesen sein, auf der die vielen guten Vorsätze in wenig konkreten Plänen verankert werden.